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Änderung des Telemediengesetzes – Ende der Störerhaftung im Filesharing?

Eine Analyse des neuen Telemediengesetzes: Der Gesetzgeber hat mit Wirkung zum 13.10.2017 einige Änderungen in das Telemediengesetz (TMG) eingearbeitet. Ziel des Gesetzgebers war es, das Betreiben öffentlich zugänglicher WLAN-Netzwerke in Deutschland zu vereinfachen, indem Rechtssicherheit geschaffen wird.

Die neuen Regelungen haben Auswirkungen auf die bisher geltende sog. Störerhaftung von WLAN-Betreibern z.B. im Zusammenhang mit Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing.

Rechtslage der Störerhaftung bis zum 12.10.2017

Bis einschließlich 12.10.2017 war es dem Inhaber von Urheberrechten möglich, den Betreiber eines WLAN-Netzwerkes auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen, wenn über dessen Anschluss Urheberrechtsverletzungen vorgenommen worden waren.

Im Falle von Filesharing wird durch das Hoch- oder Herunterladen eines urheberrechtlich geschützten Werkes, beispielsweise einem Film oder einem Lied, eine Kopie des Werkes erzeugt. Ohne Einwilligung des Urhebers verstößt dies gegen dessen Vervielfältigungsrecht gemäß § 16 I UrhG. Es ist ausschließlich das Recht des Urhebers, zu entscheiden, ob und in welcher Stückzahl sein Werk vervielfältigt wird.

Infolge dieses Verstoßes gegen sein Vervielfältigungsrecht hat der Urheber grundsätzlich einen Anspruch gegen den Rechtsverletzer aus § 97 UrhG. Dieser richtet sich zum einen auf Unterlassung der weiteren Rechtsverletzung in der Zukunft. Zum anderen hat der Urheber gegen den Rechtsverletzer gem. § 97 II 1 UrhG einen Anspruch auf Schadensersatz.

Rechtsverletzer ist also grundsätzlich derjenige, der gegen das Urheberrecht verstößt, nicht aber derjenige, der das hierzu genutzte WLAN bereitgestellt hat. Hatte ein WLAN-Nutzer beispielsweise ohne Einwilligung des Rechteinhabers ein urheberrechtlich geschütztes Lied hochgeladen, musste sich der Rechteinhaber grundsätzlich zunächst an diesen halten. (BGH I ZR 3/14, „3dl.am“).

War der eigentliche Verletzer nicht ausfindig zu machen, konnte sich der Rechteinhaber jedoch an den Betreiber des WLAN halten, also den Anschlussinhaber, welcher das WLAN durch die Einrichtung eines entsprechenden Routers bereitgestellt hatte.

Der WLAN-Anbieter haftete als sogenannter Störer auf Unterlassung der Rechtsverletzung in der Zukunft. Er hatte das Urheberrecht zwar nicht selbst verletzt, aber die konkrete Rechtsverletzung durch sein Angebot eines drahtlosen Netzwerkzugangs ermöglicht, statt sie zu verhindern. Seine Haftung als Störer wurde insbesondere dann angenommen, wenn der WLAN-Anbieter es versäumt hatte, seinen WLAN-Router durch marktübliche Sicherungen, beispielsweise einem Passwort, vor einem Zugriff zu schützen (BGH GRUR 2010, 633).

Außerdem konnte der Rechteinhaber vom WLAN-Betreiber diejenigen vor- und außergerichtlichen Kosten erstattet bekommen, die ihm durch die Abmahnung entstanden waren, insbesondere auch die Anwaltskosten. Grundlage hierfür war die Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 677 ff. BGB.

Das Risiko, wegen Urheberrechtsverletzungen in Anspruch genommen zu werden, war daher für einen WLAN-Betreiber relativ hoch. Infolgedessen war es unattraktiv, offenes WLAN anzubieten.

Rechtslage der Störerhaftung seit 13.10.2017

Dem will der Gesetzgeber mit den Änderungen im TMG nun entgegentreten. Das Anbieten öffentlicher WLAN-Netze soll damit attraktiver werden (vgl. Grisse a.a.O.).

Statt eines Unterlassungsanspruchs sieht § 7 TMG im neu eingefügten Absatz 4 nunmehr vor, dass WLAN-Anbieter unter bestimmten dort genannten Voraussetzungen zu Nutzungssperrungen verpflichtet werden können.

Hierzu muss explizit ein Recht eines anderen an geistigem Eigentum verletzt worden sein. Andere Rechte werden durch den § 7 Abs. 4 TMG nicht geschützt.

Der Rückgriff auf den WLAN-Betreiber ist dem Rechteinhaber erst möglich, wenn er den Rechteverletzer trotz intensiver Bemühungen nicht ermitteln konnte.

Dies sah bisher die höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH vor, um zu verhindern, dass die Störerhaftung über Gebühr auf Dritte erstreckt wird (vgl. etwa BGH, Urteil vom 8.1.2014 – I ZR 169/12, „BearShare“). Es wurde nunmehr explizit im Gesetz verankert.

Die Sperrpflicht des WLAN-Betreibers wird durch den § 7 Abs. 4 Satz 2 TMG noch eingeschränkt: Die konkrete Sperr-Maßnahme muss für den WLAN-Anbieter zumutbar und verhältnismäßig sein.

Ob das der Fall ist, richtet sich nach den technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten des Betreibers im Einzelfall. Die Einstufung wird vom Gericht vorgenommen. Denkbar wären etwa IP-Sperren.

Nach § 7 Abs. 4 Satz 3 TMG besteht hingegen explizit keine Pflicht des WLAN-Anbieters mehr, dem Rechteinhaber die Kosten zu erstatten, die diesem durch die Urheberrechtsverletzung entstanden sind. Dies bezieht sich ausdrücklich sowohl auf vorgerichtliche als auch auf außergerichtliche Kosten. Insbesondere kann der Rechteinhaber grundsätzlich nicht mehr die Abmahnkosten vom WLAN-Betreiber einfordern. Dies ist jetzt nur noch möglich, wenn WLAN-Anbieter und Rechtsverletzer absichtlich gerade mit dem Ziel zusammengearbeitet haben, um rechtswidrige Handlungen zu begehen (§ 7 Abs. 4 Satz 3 TMG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Satz 3 TMG).

Weiterhin können dem WLAN-Betreiber die Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden, wenn er im Gerichtsverfahren um einen Sperrungsanspruch gegen den Rechteinhaber unterliegt, da sich der Wortlaut nur auf außer- und vorgerichtliche Kosten bezieht. Ob das WLAN hauptberuflich, nebenberuflich oder privat betrieben wird, ist ohne Bedeutung.

Nach dem neu eingeführten § 8 Abs. 4 TMG dürfen Behörden den WLAN-Betreiber auch nicht mehr dazu verpflichten, den Zugang zu seinem Netzwerk einzuschränken. Der WLAN-Betreiber haftet also auch dann explizit nicht mehr als Störer wegen einer Urheberrechtsverletzung, wenn er weder seine Nutzer registriert noch den Zugang zu seinem WLAN mit einem Passwort einschränkt.

Kritik

Dem noch jungen Gesetz schlägt bereits Kritik entgegen. Es wird kritisiert, dass nur bei einer Verletzung von geistigem Eigentum ein Anspruch auf eine Sperrung durch den WLAN-Anbieter besteht, nicht etwa auch bei der Verletzung anderer verfassungsrechtlich geschützter Rechte.

Auch die Ungleichbehandlung von WLAN-Anbietern und anderen Access Providern, etwa Anbietern einer LAN-Verbindung, stößt teilweise auf Ablehnung. (Spindler a.a.O., S. 2305).

Zudem wird bezweifelt, ob durch die neuen Regelungen tatsächlich mehr Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber oder andere Anbieter geschaffen wurden.

Auswirkungen auf Altfälle

Wie wirkt sich die geschilderte Gesetzesänderung auf Altfälle aus, also die Fälle der Störerhaftung, die bereits zu Gericht gebracht, aber noch nicht durch Urteil entschieden wurden?

Der Gesetzgeber hat keine Übergangsregelung geschaffen, in der er bestimmt, ob für Altfälle ebenfalls die neue Gesetzeslage angewandt werden soll, oder eine alte Gesetzeslage, wie sie zum Zeitpunkt der (behaupteten) Rechtsverletzung oder der Klageerhebung bestand.

Grundsätzlich hat das entscheidende Gericht damit die Rechtslage anzuwenden, die zum Zeitpunkt des Urteilserlasses gilt (Thomas/ Putzo/ Reichold, Zivilprozessordnung, 37. Auflage 2016, § 300, Rn. 6). Das Urteil soll zum Zeitpunkt seines Erlasses mit der objektiven, aktuell geltenden Rechtslage in Einklang stehen.

In der Hauptsache müssten diese Klagen auf Störerhaftung gegen die WLAN-Anbieter daher als unbegründet abgewiesen werden, soweit der Rechteinhaber vom WLAN-Betreiber gefordert hatte, die Rechtsverletzung künftig zu unterlassen. Stattdessen kann der WLAN-Betreiber nun gegebenenfalls zu den oben geschilderten Sperren gerichtlich verpflichtet werden.

Welche Auswirkungen hat das auf die Kosten für bereits erfolgte Abmahnungen, die ein Rechteinhaber im Altfall meist parallel zur Unterlassung gerichtlich geltend gemacht hat?

Bei der Frage, ob Aufwendungsersatz für die Abmahnung zu gewähren ist, legt der BGH grundsätzlich die alte Rechtslage zugrunde (vgl. BGH, I ZR 169/12, Rn. 11 – „BearShare“). Denn hier wird nicht ein zukünftiges Verhalten des Beklagten verlangt, wie beim Anspruch auf Unterlassung (alte Rechtslage) bzw. Sperrung (neue Rechtslage). Stattdessen wird ein in der Vergangenheit liegender, abgeschlossener Lebenssachverhalt beurteilt. War die Abmahnung rechtmäßig, kann der Rechteinhaber weiterhin die dafür angefallenen Kosten verlangen.

Fazit: nur teilweise Rechtssicherheit im neuen TMG

Der Gesetzgeber konnte seinem Ziel, das Angebot von ungesichertem öffentlichen WLAN attraktiver zu machen, nur teilweise gerecht werden.

Es kann dem WLAN-Betreiber nun nicht mehr zum Verhängnis werden, wenn er den Zugang zu seinem Netzwerk von vornherein nicht durch Verschlüsselung oder andere Maßnahmen kontrolliert (§ 8 IV TMG).

Auch können dem WLAN-Betreiber nun nicht mehr die vor- und außergerichtlichen Kosten (Abmahnkosten) auferlegt werden, die dem klagenden Rechteinhaber dadurch entstanden sind, den Anspruch auf Sperrung gegen den Betreiber durchzusetzen (§ 7 IV 3 TMG).

Inwieweit sich dieser Anspruch auf Sperrung in der Praxis tatsächlich vom bisher gültigen Unterlassungsanspruch unterscheiden wird, bleibt abzuwarten.

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