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Euroweb – Vertrag kündigen?

Die Euroweb beschäftigt regelmäßig die Gerichte, nachdem Kleingewerbetreibende (die mir von zweifelhaften Methoden berichten) einen Vertrag unterschrieben haben. Die von mir insoweit Vertretenen empfinden die gebotene Leistung der Verträge als teuer und die Vertragslaufzeit als zu lange.

Die Euroweb Internet GmbH vertreibt sog. Internet-System-Verträge welche ein Gesamtpaket für eine Homepage anbieten: enthalten sind unter anderem Reservierung einer Internet-Domain, Hosting der Website, Beratung, Newsletterversand, die Gestaltung und Programmierung der Internetpräsenz und bei Bedarf das Verfassen der Inhalte. Als Vertragslaufzeit werden dabei drei, inzwischen teils auch vier Jahre vereinbart. Monatlich sind dabei Zahlungen von ca. 150 – 200,- € zu leisten. Die Gesamtkosten belaufen sich damit bei einer dreijährigen Laufzeit auf ca. 5400,- bis 7000,- €. Der Vertragsschluss erfolgt, laut Berichten von Mandanten, meist in großer Hektik (Mandanten berichten von Vertreterbesuchen während der Laden voll ist oder angeblich nur an diesem Tag bestehenden Sonderangeboten – was aber mangels Zeugen meist nicht beweisbar ist), so dass der Kunde keine Zeit hat, sich im Internet näher zu informieren und Preise zu vergleichen. In der Regel geschieht dies erst nach einer – rechtlich bindenden – Unterschrift unter den Vertrag.

Rechtliche Möglichkeiten zur Kündigung

Die derzeit verwendeten Musterverträge der Euroweb sind laut Urteil des BGH vom 4.3.2010 – III ZR 79/09 Werkverträge – solche können gem. § 649 S. 1 BGB jederzeit gekündigt werden. Allerdings hat nach dem Satz 2 der Kunde dem Unternehmer dann den entgangenen Gewinn zu ersetzen. Dieser bemisst sich nach der Gewinnspanne des Unternehmers und nach den bisher durch diesen getätigten Leistungen. Im Einzelfall kann dieser auch wegen arglistiger Täuschung widerrufen werden (wenn eine solche beweisbar ist), meistens ist jedoch nur eine Kündigung möglich. Bei einer frühen Kündigung von Werkverträgen hat der  der Unternehmer i.d.R. noch nicht mit Entwurf und Gestaltung der Homepage begonnen.

Denn nach einem weiteren Urteil des BGH (vom 27.01.11 – VII ZR 133/10) ist maßgebend für die Berechnung des entgangenen Gewinns der Betrag, der dem auf die erbrachten Leistungen entfallenden Teil der vereinbarten Vergütung entspreche. Die nach § 649 Satz 2 BGB zu zahlende Vergütung orientiere sich nicht an den vereinbarten Zahlungsmodalitäten (z.B. Ratenzahlungen). Wenn also die Homepage bereits erstellt wurde muss dieser Aufwand bezahlt werden – was teuer werden kann. Zudem ist der Nachteil, dass der restliche Betrag auf einmal fällig wird. Die Kündigung bezieht sich dann nur auf die späteren Zahlungen. Eine Prüfung im Einzelfall durch Ihren Anwalt ist nötig. Um den entgangenen Gewinn zu erhalten müsste die Euroweb Ihren entgangenen Gewinn genau offen legen – was diese aufgrund der wahrscheinlich sehr großen Gewinnspanne natürlich nicht möchten. Stattdessen legen diese völlig unzureichende Berechnungen vor und drohen mit Klagen.

Wichtig ist noch der § 640 Satz 3 BGB: Dieser bestimmt, dass ein Werkunternehmer seine Kalkulation nicht offenlegen muss und dann von seinem Kunden 5 % des auf die noch nicht erbrachten Teile eines Vertrages entfallende Leistungen verlangen kann. Daher macht die Euroweb teilweise nach einer Kündigung nur diese 5% geltend. Dann ist sorgsam abzuwägen, ob eine Zahlung erfolgen sollte oder man eine Klage riskiert. Meist verlangt die Euroweb Internet GmbH aber auch nach einer Kündigung den fast vollen Betrag, dann kann es ratsam sein, die 5 % zu zahlen. Pauschale Aussagen können hier allerdings nicht getroffen werden, hier muss eine genaue Prüfung der jeweiligen Sachlage erfolgen. (Mit der Spezialfrage, inwieweit eine solche Klausel AGB-rechtlich wirksam ist, befasste sich der BGH in seinem Urteil v. 5. Mai 2011 – Az. 161/10).

Sehr problematisch in diesem Bereich ist derzeit ein Fehl-Urteil des OLG Düsseldorf. Diese ließen eine m.E. völlig unzureichende Berechnung des angeblich entgangenen Gewinns seitens Euroweb ausreichen, um diesen eine größere Summe zuzusprechen. Dies entgegen der Rechtsprechung des BGH (m.E.) und dem klaren Gesetzeswortlaut. Dieses Urteil ist rechtskräftig, so derzeit unnötigerweise Rechtsunsicherheit eingetreten ist. Ein ähnliches Urteil derselben Kammer des OLG Düsseldorf soll jedoch derzeit vor dem BGH anhängig sein. Das Urteil des OLG Düsseldorf betrifft nicht nur Euroweb, sondern würde sämtliche anderen Werkverträge zu völlig verqueren Verhältnissen führen. Derzeit muss damit jedoch umgegangen werden. Dies ist vor allem dann kein Problem, wenn die Verfahren nicht vor den Düsseldorfer Gerichten verhandelt werden.

Ein Fenster, um ohne Zahlungspflichten aus dem Vertrag zu entkommen hat z.B. das LG Kiel geöffnet: Dieses wies am 13.12.2011 (Az. 2 O 135/11) eine Klage der Euroweb ab, da deren Vertreter den Kunden arglistig getäuscht habe indem er einen Einmal-Preis von 150,- € genannt und die Folgekosten verschwiegen habe. Bemerkenswert an dem Urteil ist, dass der Kunde Recht bekam, obwohl er keinen Zeugen nennen konnte. Das Gericht hielt jedoch die Aussagen des Kunden für glaubwürdig. Die meisten Gerichte ignorieren die Aussagen der Kunden und stützen sich nur auf den schriftlichen Vertrag. Das Urteil aus Kiel kann allerdings nicht auf jeden Fall übertragen werden, da mehrere spezielle Einzelheiten vorlagen, die das Gericht zu der schönen Zusammenfassung veranlassten: „Es kann keine Rede davon sein, dass einem solchen Imbissbetreiber, der als Gegenleistung über vier Jahre Beträge von annähernd 9.000,00 € zu zahlen hat, etwas Gutes widerfährt. Im Gegenteil: Dies steht völlig außer Verhältnis zu seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.“

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass – falls Sie eine Kündigung/Anfechtung der Verträge mit Euroweb erwägen – dies angesichts der Rechtslagemehr Vorteile bringt,  wenn diese zeitnah erfolgt. Der Nachweis einer Täuschung (und damit keine Zahlungspflicht) ist hingegegen sehr schwierig. Die Angelegenheit sollte jedenfalls einem fachkundigen Anwalt übergeben werden, da je nach den genauen Umständen des Einzelfalles verschiedene Handlungswege eingeschlagen müssen.

Allgemeine Grundlagen bei Vertragsschlüssen:

  • Unterschreiben Sie nichts, was Sie nicht genau gelesen haben!
  • Vor einer Unterschrift sollten Sie den Namen des Vertragspartners bei Google, bzw. einer anderen Suchmaschine, eingeben und prüfen, ob dieser viele negative Bewertungen hat. Lesen Sie dazu nicht nur die erste Seite der Suchergebnisse, sondern auch weiter hinten!
  • Vergleichen Sie Preise über das Internet.
  • Bei Vertragsverhandlungen sollten Sie zudem möglichst immer einen Zeugen dabeihaben.
  • Eine vorherige Vertragsprüfung durch einen Anwalt vor Unterschrift spart oft einiges Geld!

Update 22.1.2013:

Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass ein Verfahren vor dem BGH anhängig ist, in dem die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf hinsichtlich der Geltendmachung des entgangenen Gewinns überprüft werden wird. Ich werde über das Urteil natürlich berichten.

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