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Mülleimer sammelt Daten: Unnötige Datenerhebung der Ulmer Entsorgungsbetriebe EBU

Kanzlei Lachenmann zu Datenschutz im WEG - VideoüberwachungÜber die Mülleimer der Ulmer Bürger erheben die Entsorgungsbetriebe (EBU) einige persönliche Daten und gleichen diese mit den Daten des Einwohnermeldeamts ab, wie die Südwest-Presse in ihrer heutigen Ausgabe berichtet und Ulm hoch 3 bereits Mitte April berichtete – eine unnötige Datenerhebung. Hintergrund ist, dass die EBU ihre Leerungskosten auf ein neues digitales System umstellte, bei dem in jedem Mülleimer ein Chip eingerichtet wurde. So wird die Anzahl der Leerungen gespeichert und damit die dem Haushalt entstehenden Kosten berechnet. Dass aber Daten der Haushalte mit dem Meldeamt abgeglichen und zusammen mit den Leerungsdaten gespeichert werden, ist datenschutzrechtlich durchaus problematisch. So sollen Namen und aktuellen wie früheren Adressen, Geburtsort, Staatsangehörigkeit, Geschlecht oder auch Doktortitel für die Mülleimer der EBU gespeichert sein.

Natürlich kenne ich die näheren Hintergründe nicht und wenn die Datenschutzaufsichtsbehörde des Landes sagt, es sei wohl alles in Ordnung, dann ist das durchaus ein Zeichen dafür, dass das rechtlich zulässig ist – denn die Aufsichtsbehörden machen ja oft mit praxisfernen und unrealistischen Ansichten auf sich aufmerksam. Nicht deutlich wird aus dem Bericht, ob diese Daten auf den Mülleimern selbst gespeichert sind (wovon nicht auszugehen ist, dort sollte nur eine individuelle Nummer gespeichert sein, die dann über die Systeme zugeordnet werden kann) oder ob die Daten nur in den Systemen der EBU gespeichert sind (vermutlich). Aus dem SWP-Bericht ergeben sich für mich aber durchaus Anhaltspunkte, warum die Datensammlung der EBU bei den Mülleimern zu weit geht, also datenschutzrechtliche Probleme bestehen:

  • Das Bundesdatenschutzgesetz bestimmt in § 3a als allgemeinen Leitsatz, dass möglichst wenige Daten erhoben und gespeichert werden sollen (Prinzipien der Datensparsamkeit und Datenvermeidung = „privacy by design and default“). Diese Prinzipien haben insbesondere im Hinblick auf die Ausspähaffären der Geheimdienste eine hohe Bedeutung erlangt: Nicht erhobene Daten können auch nicht missbraucht werden. Daher sollte jeder Datenverarbeitende möglichst auf die Erhebung von Daten verzichten, auch die EBU für ihre Mülleimer. Laut EBU können man keine Daten mehr löschen, weil die Änderung im System zu teuer sei – ein Argument, das im natürlich irrelevant ist.
  • Die Datenverarbeitung unterliegt stets einer Zweckbindung, die Daten dürfen also nur für den Zweck verarbeitet werden, zu dem sie erhoben wurden. Auch wenn die Anfragen beim Einwohnermeldeamt grundsätzlich zulässig sind, dürfen die Daten dann nur in dem Rahmen gespeichert werden, der von vornherein gelten sollte. Hier müsste der Datenschutzbeauftragte prüfen, ob die Abfrage gerade zum Zweck der Mülleimer-Verwaltung erfolgte, oder ob die Daten schon vor längerer Zeit aus anderen Gründen erhoben worden waren. Die Vermischung der verschiedenen gespeicherten Daten ist per se nicht zulässig.
  • Unabhängig davon bedarf jede Datenverarbeitung/-speicherung eines Erlaubnistatbestandes. Dies bietet zum einen § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG: Soweit die Datenverarbeitung zur Erfüllung des Vertrages notwendig ist, ist sie zulässig. Die im Zeitungsbericht gestellte Frage „Warum muss die Müllabfuhr wissen, wie alt meine Frau ist und dass ich eine fünfjährige Stieftochter habe, die nicht meinen Nachnamen trägt?“ ist treffend und die Antwort hier klar: Zur Vertragserfüllung ist das nicht notwendig. Hier ist eigentlich nur die Verarbeitung von Namen, Anschrift, Kontodaten, Größe des Mülleimers und Anzahl der Leerungen notwendig. Insoweit ist die Datenspeicherung der EBU zulässig.
  • Als weiterer Erlaubnistatbestand ist § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG möglich: Hier können weitergehend Daten erhoben werden, wenn ein berechtigtes Interesse der EBU vorliegt und keine Interessen der Betroffenen entgegenstehen. M.E. gibt es keinen Grund, warum für die Abrechnung der Mülleimer-Leerung durch die EBU so weitgehend Daten erhoben werden müssen. Selbst wenn dies einer Missbrauchs-Erkennung dienen würde (wovon die ursprüngliche Mitteilung von „Ulm hoch 3“ ausgeht), kann dies nicht pauschal für alle Kunden durchgeführt werden, sondern müsste sich auf Stichproben/Anlasskontrollen beschränken. Dies wäre eindeutig zu weit gehend.

Was können Ulmer Bürger gegen das Sammeln der Daten durch die EBU-Mülleimer tun?

  • Jedenfalls können Sie eine Auskunftsanfrage gem. § 34 BDSG stellen: Dies steht jedem Bürger gegen jede verantwortliche Stelle zu. Die EBU muss dann (in Textform, nicht per Anruf ans Handy) alle Daten mitteilen, die über die jeweiligen Bürger gespeichert sind. Dies dient zumindest der Transparenz und man hat einen Überblick, was die Mülleimer der EBU so alles über einen wissen.
  • Jedenfalls kann man sich schriftlich bei der EBU beschweren. Öffentlicher Druck kann helfen, auch eine eigentlich rechtliche zulässige Datenverarbeitung einzuschränken.
  • An sich möglich wäre eine Beschwerde bei der Baden-Württembergischen Datenschutz-Aufsichtsbehörde. Aber die prüfen den Sachverhalt bereits und wissen nun, unter Beobachtung der Öffentlichkeit und Presse zu stehen. Dennoch ist es natürlich jedem Ulmer möglich, diesen mitzuteilen, dass man eine saubere Prüfung wünscht.
  • Eventuell könnte auch auf Unterlassung gegen die EBU geklagt werden. Ob dies erfolgsversprechend ist, hängt jedoch vom genauen Sachverhalt ab, dazu sind noch mehr Informationen nötig.

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