Während das häufig zu sehende Schild „Eltern haften für Ihre Kinder“ meist bedeutungslos ist, da Eltern für Kinder nicht haften, wenn sie ihrer Aufsichtspflicht genügt haben, gilt dies nach der neuen Entscheidung des BGH zum Elternunterhalt im umgekehrten Falle nicht: Kinder haften für ihre Eltern auf Unterhalt, auch wenn sie über viele Jahre keinen Kontakt mehr zu ihren Eltern hatten, ja dieser Kontakt auf Wunsch der Eltern abgebrochen wurde. Eine Ausnahme bestehe nur dann, wenn sich die Eltern einer schweren Verfehlung gegenüber dem Kind schuldig gemacht haben, was bei einem Kontaktabbruch nicht der Fall sei.
Dem Beschluss des BGH zum Elternunterhalt vom 12.2.14 (Az: XII ZB 607/12) liegt folgender Fall zugrunde:
Ein alter Friseur lebte in Bremen in einem Pflegeheim. Das Sozialamt Bremen hatte die Kosten für das Pflegeheim übernommen, als die Ersparnisse des Rentners aufgebraucht waren, die Kosten betrugen rund 30.000 Euro. Ein Teil dieser Kosten in Höhe von 9.000 Euro wollte das Sozialamt von dem Sohn des Rentners wieder haben. Der Sohn verweigerte die Zahlung mit der Begründung, dass der Anspruch verwirkt sei. Sein Vater habe vor 43 Jahren den Kontakt zu ihm völlig abgebrochen, er sei enterbt und auf den Pflichtteil gesetzt worden. Der BGH entschied nun in letzter Instanz zugunsten des Sozialamts.
Der Sohn haftet für seinen Vater auf Zahlung von Elternunterhalt, weil sich der Vater keiner „schweren“ Verfehlung schuldig gemacht habe, auch wenn aus § 1618 a BGB die Pflicht zu Beistand und Rücksicht resultiere:
„Ein vom unterhaltsberechtigten Elternteil ausgehender Kontaktabbruch stellt wegen der darin liegenden Verletzung der sich aus § 1618 a BGB ergebenden Pflicht zu Beistand und Rücksicht zwar regelmäßig eine Verfehlung dar. Sie führt aber nur bei Vorliegen weiterer Umstände, die das Verhalten des Unterhaltsberechtigten auch als schwere Verfehlung i.S.d. § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB erscheinen lassen, zur Verwirkung des Elternunterhalts. Solche Umstände sind im vorliegenden Fall nicht festgestellt. Zwar mag der Vater durch sein Verhalten das familiäre Band zu seinem volljährigen Sohn aufgekündigt haben. Andererseits hat er sich in den ersten 18 Lebensjahren seines Sohnes um diesen gekümmert. Er hat daher gerade in der Lebensphase, in der regelmäßig eine besonders intensive elterliche Fürsorge erforderlich ist, seinen Elternpflichten im Wesentlichen genügt. Die Errichtung des Testaments selbst stellt keine Verfehlung dar, weil der Vater insoweit lediglich von seinem Recht auf Testierfreiheit Gebrauch gemacht hat.“ (Pressemitteilung des BGH).
Dagegen hatte der BGH im Jahr 2004 einer Rentnerin den Unterhalt gegenüber ihrer Tochter verwehrt, weil sie den Kontakt zur Tochter bereits abgebrochen hatte, als diese 3 Jahre alt war.
Des Einen Freud – des Anderen Leid – die Kommunen freuen sich – erwachsene Kinder, die für sich selbst und ihre Kinder sorgen müssen – leiden unter der Kostenlast. Ärger macht vor allem immer wieder, dass die Berechnung der Höhe des zu zahlenden Unterhalts je nach Sozialamt differiert, da der Ermessensspielraum groß ist. Laut BGH muss den Kindern trotz des Elternunterhalts der „angemessene Bedarf“ bleiben. Wie hoch ist aber der angemessene Bedarf?
Zunächst hört es sich ganz einfach an: Vom Bruttoeinkommen werden Steuern, Sozialabgaben, zusätzlich Altersvorsorge und Fahrtkosten zur Arbeitsstelle abgezogen. Der Hauskredit wird mit dem ersparten Mietaufwand verrechnet und ist abzugsfähig, auch ein Autokredit.
Was passiert aber, wenn jeden Monat Geld für ein neues Auto zurück gelegt wurde und nun das Sozialamt das Vermögen angreifen will? Auch über die Frage, ob die Raten für einen Sparvertrag oder eine Versicherung abzugsfähig sind, wird immer wieder gestritten. Irgendwann und irgendwie kommen dann die Sachbearbeiter der Sozialämter auf das „bereinigte Nettoeinkommen“
Dann gibt eine Art Faustformel: Von dem bereinigten Nettoeinkommen werden 1600,- € als Selbstbehalt in Abzug gebracht, von dem, was übrig bleibt, darf die Hälfte nochmals behalten werden, die andere Hälfte geht an das Sozialamt! Je höher das Einkommen, desto höher wird die prozentuale Belastung am Einkommen – ungerecht?
Es ist davon auszugehen, dass in den meisten Fällen von Elternunterhalt der eigene Lebenszuschnitt beschnitten wird. „Der Dumme“ ist derjenige, der gespart hat.