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Kein Rechtsschutz des Bürgers gegen BND-Überwachung, so BVerwG-(Fehl-)Urteil

Kanzlei Lachenmann zu Datenschutz im WEG - VideoüberwachungDas Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat entschieden, dass eine Feststellungsklage gegen die BND-Überwachung des deutschen E-Mail-Verkehrs unzulässig ist, faktisch also kein Rechtsschutz des Bürgers gegen BND-Überwachung besteht ((Fehl-)Urteil vom 28.5.2014 – 6 A 1.13). Das BVerwG lehnte bereits die Zulässigkeit der Klage ab, da der Kläger nicht nachweisen könne, dass er von der willkürlichen und geheimen Massenüberwachung des E-Mail-Verkehrs erfasst würde, also seine E-Mails gelesen werden.

Kein Rechtsschutz des Bürgers gegen BND-Überwachung, so das BVerwG-(Fehl-)Urteil zu folgendem Sachverhalt:

Geklagt hatte ein Rechtsanwalt dagegen, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) anlasslos 10 213 329 E-Mails allein zum Schutz gegen „internationalen Terrorismus“ erfasste, weitere 27 079 533 E-Mails wegen „Proliferation und konventionelle Rüstung“ uswusf. Der BND erfasst den deutschen E-Mail-Verkehr anlasslos und scannt ihn nach bestimmten Suchbegriffen, die er für Sicherheitsrelevant hält. Werden E-Mails erfasst, werden diese gezielt daraufhin überprüft, ob tatsächlich der Schutz Deutschlands betroffen ist. Ist dies nicht der Fall, werden die E-Mails unverzüglich gelöscht (§ 6 Abs. 1 S. 2 G10).

Das BVerwG lehnte die Klage des Bürgers gegen die BND-Überwachung bereits als unzulässig ab, befasste sich also allein mit der der eigentlichen Entscheidung vorgelagerten Frage, ob der Bürger überhaupt klagen darf. Dies lehnte das Gericht ab, so dass es nur begründen musste, warum es nicht über die BND-Überwachung des E-Mail-Verkehrs an sich entscheiden musste. Aus der Begründung wird klar: Das BVerwG hatte keine Lust, sich mit dieser heiklen Frage auseinanderzusetzen und machte es sich stattdessen einfach, indem es eine solche Klage bereits als unzulässig ansah.

Eine solche Klage auf Feststellung, dass die BND-Überwachung unzulässig ist, könne nur dann zulässig sein, wenn der Kläger einen konkreten, auf ihn bezogenen Sachverhalt, der ihn betrifft, nachweisen könne. Dies sei nur der Fall, wenn feststünde, dass tatsächlich E-Mails des Klägers vom BND erfasst worden wären. Wenn diese Möglichkeit zwar nicht auszuschließen, es aber nicht nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Fall wäre, sei dies für eine Klage nicht ausreichend.

Im entschiedenen Fall hatte der BND keine E-Mails des Klägers als „nachrichtendienstlich relevant“ angesehen. Ob bei der Massenüberwachung des E-Mail-Verkehrs auch E-Mails des Klägers erfasst worden waren, war nicht mehr festzustellen, da diese nach Prüfung gelöscht worden waren. Auch Protokolldaten von der Erfassung/Löschung waren nicht mehr vorhanden, da diese stets am Ende eines Kalenderjahres gelöscht werden (entsprechend § 5 Abs. 2 S. 4-6, § 6 Abs. 1 S. 3-5 G10). Die danach verbleibende Wahrscheinlichkeit einer Erfassung sei zu gering, als das ein Bürger klagen dürfe.

Das BVerwG war dann noch der Ansicht, dass die Beweislast nicht umgekehrt werden könne und der Bürger sich mit einem rechtswidrigem Zustand abfinden solle – anderes würde sich auch nicht aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ergeben. Dass die Maßnahme heimlich erfolgt und dem Bürger so nicht mitgeteilt wird, wenn er klagt, sei egal. Denn es gäbe die parlamentarische Kommission des Bundestages, die überwachen würde, dass der BND rechtmäßig handeln würde. Dies würden auch die vielen im Gesetz geregelten Kontrollbefugnisse zeigen.

Anders gesagt: Weil das Gesetz theoretische Überwachungsmöglichkeiten durch ein Gremium des Bundestags vorsieht, übe dieses Gremium seine Überwachungsrechte auch voll aus. Das BVerwG ignoriert hierbei, dass die G10-Kommission eben nicht alle Informationen vom BND erhält und auch sonst die Auslegung der Gesetze sehr lax vornimmt. Beim Programm EIKONAL, das der BND rechtswidrig betrieb, war die G10-Kommission absichtlich falsch informiert worden. Auch die Vorgänge um den NSA-Untersuchungsausschuss zeigen, dass die deutschen Geheimdienste sich nicht kontrollieren lassen.

Kein Rechtsschutz des Bürgers gegen BND-Überwachung, so die Folge des BVerwG-(Fehl-)Urteil

Das BVwerG verweigert dem Bürger faktisch also jeden Rechtsschutz gegen die BND-Überwachung. Der Bürger muss hinnehmen, heimlich ausgespäht zu werden, weil er nicht nachweisen kann, ob er ausgespäht wird. Dass das zu einer „Schere im Kopf“ führt, vor der das Bundesverfassungsgericht schon seit dem Volkszählungsurteil warnte, ignoriert das BVerwG. Zwischenzeitig sind noch viele weitere Überwachungsmaßnahmen des BND und anderer Geheimdienste bekannt geworden. Es ist zu hoffen, dass erneut dagegen geklagt wird und angesichts des jetzigen schlimmen Fehlurteils das Bundesverfassungsgericht dazu entscheiden kann.

Autor: RA Matthias Lachenmann

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