Ziele der Reform zum Familienverfahrensgesetz:
- Vereinheitlichung des bisher unübersichtlich Verfahrensrechts, einhergehend mit einer Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens,
- Zukünftig wird kein „Rechtsstreit“ oder „Prozess“ mehr geführt, sondern nur noch ein „Verfahren“, die „Parteien“ sind zukünftig „Beteiligte“, alle Entscheidungen werden „Beschlüsse“,
- Schaffung des § 135 FamFG mit der Anordnung, dass die Ehegatten an einem Gespräch über Mediation oder sonstige Möglichkeiten außergerichtlicher Streitbeilegung anhängiger Folgesachen teilnehmen sollen, mit negativer Kostenfolge, wenn ein Beteiligter nicht teilnimmt (§ 150 Abs. 4 FamRG),
- Schaffung eines sog. „großen Familiengerichts“, d. h. alle Streitigkeiten, die Ehe und Familie betreffen, werden künftig vor diesem verhandelt,
- beschleunigte und vorrangige Behandlung von Verfahren, die Minderjährige betreffen, einhergehend mit der Verbesserung der Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte der Kinder
Was ändert sich im neuen Familienverfahrensgesetz?
I. Das Verfahrensrecht
- Unterhaltsverfahren unterfallen dem Anwaltszwang, dagegen kann eine sog. Einstweilige Anordnung auch ohne Anwalt eingereicht werden, sie ist nicht mehr davon abhängig, dass gleichzeitig oder zuvor eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren beantragt wurde.
- Das Gericht hat eine Ermittlungspflicht, einhergehend mit einer Mitwirkungspflicht der Beteiligten,
- Erleichterungen bei der Abtrennung von sog. Folgesachen wie z. B. des Versorgungsausgleichs mit der Folge, dass eine Scheidung auch ausgesprochen werden kann, wenn über die Folgesachen noch nicht entschieden ist.
- Neuerungen bezüglich der Kostentragung sind, dass nicht mehr generell die Kosten gegeneinander aufgehoben werden (d. h. jeder trägt die Hälfte der Verfahrenskosten, jeder seine eigenen Anwaltskosten), sondern dass bei einer Rücknahme oder Abweisung des Scheidungsantrags der Antragsteller die Kosten trägt.
II. Inhaltliche Änderungen 1. Versorgungsausgleich:
- Ausgleich einer statischen oder teildynamischen Anwartschaft erfolgt durch interne Teilung des Nominalwerts, dies ist für den Berechtigten wesentlich günstiger,
- alle unter die Bestimmung des BetrAVG fallenden Anrechte werden Versorgungsausgleich zugeordnet (z. B. Direktversicherungen),
- das Rentner- und Beamtenprivileg ist ersatzlos gestrichen,
- das Unterhaltsprivileg besteht nur noch in Höhe des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs des Berechtigten.,
- bei einer Ehedauer von bis zu 3 Jahren findet ein Versorgungsausgleich nur noch auf Antrag statt,
- Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich sind nicht mehr genehmigungspflichtig, sie unterliegen nur noch einer Inhaltskontrolle,
2. Unterhalt:
- Gemäß § 235 Abs. 3 FamFG besteht im Laufe des gerichtlichen Verfahrens eine Pflicht zur ungefragten Information bei Änderung der Umstände wie Einkünfte, Vermögen, persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse, kommt ein Beteiligter diesem Erfordernis nicht nach, kann er mit einer negativen Kostenfolge gemäß § 235 Abs. 3 FamFG belegt werden,
- gemäß § 236 FamFG besteht für das Gericht die Möglichkeit, Auskünfte bei Finanzämtern einzuholen,
- Abänderbarkeit gerichtlicher Entscheidungen oder von Vergleichen und Urkunden,
3. Vermögen/Zugewinn
- Negatives Anfangsvermögen ist zu berücksichtigen, § 1374 BGB,
- der Ausgleichsanspruch ist gemäß § 1378 Abs. 2 BGB begrenzt auf die Höhe des Endvermögens und erhöht sich z. B. bei illoyalen Vermögensminderungen um den dem Endvermögen hinzuzurechnenden Betrag,
- die Ausgleichspflicht beschränkt sich auf die Höhe des Endvermögens,
- anstelle der Beendigung des Güterstandes, d. h. Rechtskraft des Scheidungsverfahrens, tritt die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags (Folge: Gefahr illoyaler Vermögensverschiebungen wird vermindert)
- aber: es gibt keinen Verlustausgleich!
- Der Auskunftsanspruch besteht nunmehr auch für das Anfangsvermögen,
- es wird eine Belegpflicht eingeführt,
- der ausgleichsberechtigte Ehegatte kann bei einer „Befürchtung“ illoyaler Handlungen des Ausgleichspflichtigen eine Zahlungsklage einreichen oder die Aufhebung der Zugewinngemeinschaft verlangen,
- wurde einem Dritten illoyal Vermögen zugewendet, hat der Ausgleichsberechtigte auch gegen den Dritten einen Zahlungsanspruch.
4. Haushaltssachen
- Die Hausratsverordnung wurde abgeschafft, nunmehr ist § 1568 b BGB einschlägig,
- Verbindlichkeiten mindern im Zugewinnausgleich das Endvermögen desjenigen, der im Außerverhältnis Schuldner ist,
- bei der Verteilung des Hausrats erfolgt eine Bedürftigkeitsregelung,
- gemäß § 1568 Abs. 3 BGB kann der Ehegatte, der sein Eigentum überträgt, eine angemessene Ausgleichszahlung verlangen, die grundsätzlich dem Verkehrswert des Gegenstands zum Zeitpunkt der Verteilung entsprechen soll.
5. Ehewohnung
- Gemäß § 1568 a BGB soll grundsätzlich derjenige Ehegatte die Wohnung behalten, der stärker auf sie angewiesen ist,
- der Vermieter ist im gerichtlichen Verfahren zu beteiligen,
- gemäß § 1568 a Abs. 3 BGB tritt der Ehegatte, dem die Wohnung überlassen wird, an Stelle des anderen Ehegatten in ein von diesem eingegangenes Mietverhältnis ein oder setzt ein von beiden eingegangenes Mietverhältnis alleine fort,
- Der Vermieter hat ein Sonderkündigungsrecht gemäß § 563 Abs. 4 BGB, wenn er mit der Fortsetzung des Mietverhältnisses durch einen Ehegatten nicht einverstanden ist.
6. Gewaltschutz Für alle Gewaltschutzsachen ist zukünftig das Familiengericht zuständig – §§ 111 Nr. 6, 210 FamFG.
7. Kindschaftssachen
- Zu den Kindschaftssachen zählen jetzt neben elterlicher sorge, Umgang und Kindesherausgabe auch Vormundschaft und Pflegschaft gemäß § 151 FamFG, das Vormundschaftsgericht wird aufgelöst, gemäß § 155 FamFG sind das Verfahren über Umgangsrecht und Aufenthaltsbestimmung vorrangig und beschleunigt durchzuführen. Bei Missachtung gerichtlicher Umgangsregelungen kann Ordnungsgeld und Ordnungshaft verhängt werden.
Mein Tipp: Besonders die Neuregelung zum Zugewinnausgleich und zum Versorgungsausgleich im neuen Familienverfahrensgesetz können erhebliche Auswirkungen auf die finanziellen Ausgleichsansprüche und/oder Zahlungsverpflichtungen haben. Sollten Sie sich zum derzeitigen Zeitpunkt überlegen, sich scheiden zu lassen, ist dringend anzuraten, den Zeitpunkt des Scheidungsantrags mit einem in Familiensachen erfahrener Anwalt zu besprechen!