Der Berliner Datenschutzbeauftragte sieht die Zählmarken der VG Wort als datenschutzrechtswidrig an, wie auf www.akademie.de berichtet wird. Grund ist, dass die VG Wort sich weigert, die Zählmarken an elementare Datenschutz-Grundregeln anzupassen und dadurch die Zählmarken wissentlich datenschutzrechtswidrig einsetzt. Leidtragende werden wieder einmal die Autoren sein, deren Rechte die VG Wort eigentlich vertreten sollte.
[Update 6.12.2013: Die Bayerische Datenschutz-Aufsichtsbehörde hat nunmehr eine Prüfung durchgeführt und hat der VG Wort ausdrücklich bestätigt: Die Zählmarken sind datenschutzkonform! (Siehe dazu mein neuer Blogbeitrag).]
Der Sachverhalt:
Die VG Wort zahlt Autoren auch für frei einsehbare Texte im Internet (sehr niedrige) Beträge. Dies jedoch erst ab einer gewissen Höhe von Abrufen der Seite. Um die Abrufzahlen kontrollieren zu können, müssen Homepage-Betreiber sog. Zählpixel in die einzelnen Artikel einbauen. Diese unsichtbaren Zählpixel werden erfassen und übermitteln personenbezogene Daten der Internetnutzer: Laut akademie.de werden die volle IP-Nummer, ein Zweijahres-Langzeit-Cookie, Linkinformation über den gelesenen Text und wohl weitere Angaben unverschlüsselt an den VG-Wort-Zählserver gesendet und erst dort anonymisiert (insbes. der letzte Block der IP verschlüsselt). Die VG Wort bietet den Nutzern weder eine Opt-Out-Möglichkeit (eigentlich Standard), noch schließt sie Verträge zur Auftragsdatenverarbeitung mit den Homepage-Betreibern ab. Kurz gesagt: Eine Stelle, die staatlich beauftragt wurde, Rechte von Bürgern zu wahren, tritt anderweitig Rechte der Bürger mit Füßen.
Warum sind die Zählmarken der VG Wort sind datenschutzrechtswidrig und was können Autoren/Homepage-Betreiber tun?
Die Zählmarken der VG Wort erfüllen nicht die einfachsten Grundlagen, die für den Datenschutz der Nutzer im Netz nötig sind. Selbst als „Datenkraken“ bekannte Unternehmen wie Google bieten deutlich mehr Datenschutz. Datenschutzrechtliche Voraussetzungen für den Betrieb der Zählmarken sind:
- Sofortige Anonymisierung der erhobenen Daten, insbes. der IP-Adressen.
- Hinweis auf die Datenerhebung in der Datenschutzerklärung (siehe dazu meine Blog-Serie). Ein vertrauenswürdiger Anbieter stellt dafür ein rechtskonformes Muster bereit.
- Bereitstellung einer Opt-Out-Möglichkeit für Nutzer, mittels der ein Cookie bei dem Nutzer gesetzt wird, dass er nicht an der Datenerhebung teilnehmen möchte.
- Abschluss eines Vertrages zur Auftragsdatenverarbeitung, der von vertrauenswürdigen Anbietern bereitgestellt wird (so z.B. für Google Analytics).
Mit den Zählmarken der VG Wort werden keine dieser Anforderungen erfüllt. In der Stellungnahme des Berliner Datenschutzbeauftragten wird sogar bemängelt, dass kein zulässiger Datenverarbeitungszweck i.S.d. § 15 Abs. 3 – 5 TMG fehle. Dies wäre nur dann richtig, wenn die VG Wort tatsächlich konkrete Nutzungsprofile auswertet. Wenn mit den Daten nur die Zählung der Nutzer vorgenommen wird, was anonymisiert wird, kommen diese Normen nicht zur Anwendung.
Was können Urheber und Homepage-Betreiber derzeit tun?
- Die einzig rechtskonforme Möglichkeit ist derzeit, die VG-Wort-Zählmarken komplett von der Homepage zu entfernen und so auf den Urhebern zustehende Einnahmen zu verzichten. Die VG Wort missversteht hier irgendwie ihre gesetzlich zugewiesene Aufgabe.
- Wer in seiner Datenschutzerklärung den Hinweis auf die Zählmarken aufnimmt, setzt sich der Gefahr aus, die Aufsichtsbehörden auf sich aufmerksam zu machen und ggf. eine Abmahnung zu erhalten. Zwar ist der Hinweis notwendig, jedoch werden aufgrund des nicht datenschutzkonformen Betriebes eventuell schlafende Hunde geweckt.
- Als anwaltlichen Rat kann ich Ihnen natürlich nicht sagen, dass es vermutlich das Beste sein könnte, die Zählmarken einfach weiter wie bislang zu betreiben und die Leser darauf nicht hinzuweisen. Denn die fehlende Information ist ein zusätzlicher Rechtsverstoß zum Betrieb, was zu erhöhten Rechtsproblemen folgen kann.
- Vielleicht hat ein Programmierer Lust, ein (WordPress-) Plugin zu programmieren, mit dem eine datenschutzkonforme Variante versucht werden kann?
Die Datenschutzrechtswidrigkeit der Zählmarken der VG Wort kann nur durch die VG Wort beseitigt werden! Daher: Schreiben Sie eine Beschwerde an die VG Wort und fordern Sie diese auf, umgehenden für einen rechtskonformen Betrieb der Zählmarken zu sorgen. Vielleicht bewegt sich etwas über öffentlichen Druck.
Update 30.10.2013: Lars Mielke weist in seinem Blogbeitrag zu Recht darauf hin, dass ich Zählmarken und Zählpixel verwechselt habe. Aus Transparenzgründen bleibt der Text aber so stehen…
Ebenfalls lesenswert:
- „Streit um Zählpixel – akademie.de vs. VG Wort“ von RA Dramburg;
- „Datenschutz: VG-Wort-Zählpixel verstoßen gegen geltendes Recht“ bei T3N.
der erhobenen Daten, insbes. der IP-Adressen.
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