Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 14.2.2019 (AZ: I ZR 6/17) entschieden, dass eine Unterlassungsvereinbarung bei Rechtsmissbrauch gekündigt werden kann. Der Fall:
Onlinehändler sind geplagt, immer wieder werden sie mit Abmahnungen von Wettbewerbern überzogen, die sie wegen eines – oft kleinen – Verstoßes gegen die Fernabsatzvorschriften – auffordern, strafbewehrte Unterlassungserklärungen abzugeben, um später – bei einem Verstoß – hohe Vertragsstrafen kassieren zu können.
So auch geschehen in dem vom BGH entschiedenen Fall. Der Kläger hatte den Wettbewerber wegen Verstoßes gegen das Elektrogesetz im Jahr 2014 abgemahnt, dieser hatte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Es kam wie es kommen musste, der Kläger stellte durch Testkäufe fest, dass der Beklagte gegen die Unterlassungsvereinbarung verstieß und verlangte von ihm eine Vertragsstrafe in Höhe von € 37.500. Daraufhin kündigte der Beklagte die Unterlassungsvereinbarung wegen rechtsmissbräuchlichen Vorgehens des Klägers. Sowohl das Landgericht Berlin als auch das Berufungsgericht wiesen die Klage auf Zahlung der Vertragsstrafe ab, der BGH hatte nun zu entscheiden, ob die vom Beklagte ausgesprochene Kündigung der Unterlassungsvereinbarung wegen Rechtsmissbrauchs rechtmäßig war.
Der BGH hat den Rechtsmissbrauch bestätigt und die Klage in letzter Instanz abgewiesen!
Wann liegt Rechtsmissbrauch vor?
Der BGH stellte fest, dass Dauerschuldverhältnisse, wozu auch Unterlassungsvereinbarungen zählen, von jedem Vertragsteil gem. § 314 Abs. 1 S. 1 BGB aus wichtigem Grund und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden können. Ein wichtiger Grund liege nach § 314 Abs. 1 S. 2 BGB vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden könne. Unter diesen Voraussetzungen könne auch der Umstand, dass ein Unterwerfungsvertrag auf einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung beruhe, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung sein.
Laut BGH sei von Rechtsmissbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele seien wie etwa das Interesse, Gebühren zu erzielen oder den Gegner durch möglichst hohe Prozesskosten zu belasten oder ihn generell zu schädigen. Das liege hier vor.
Ein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung könne sich daraus ergeben, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zu der gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden stehe, der Kläger die Belastung des Wettbewerbers mit möglichst hohen Prozesskosten bezwecke oder der Abmahnende systematisch überhöhte Abmahngebühren oder Vertragsstrafen verlange. Ebenso stelle es ein Indiz für ein missbräuchliches Vorgehen dar, wenn der Abmahnende an der Verfolgung des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse haben könne, sondern seine Rechtsverfolgung aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gewerbetreibenden allein dem sachfremden Interesse diene, die Mitbewerber mit möglichst hohen Kosten zu belasten. Dies sei hier der Fall.
Zudem hat der BGH entschieden, dass auch für die Geltendmachung von Vertragsstrafen für Verstöße, die vor der Kündigung des Vertrags begangen wurden, der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegen stehe.
Ich weise noch auf ein Urteil des BGH vom 26.4.2018 (AZ: I ZR 248/16) hin, auch damals hatte der BGH entschieden, dass es sich um Rechtsmissbrauch handele, weil der Kläger kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse verfolgt habe.
Fazit?
Das Problem ist, dass der abgemahnte Händler den Rechtsmissbrauch beweisen muss, er muss zahlreiche Indizien vortragen, die den Rechtsmissbrauch untermauern. Es kommt für die Prüfung einer missbräuchlichen Rechtsverfolgung durch Massenabmahnungen gegenüber Händlern auf die Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls an.
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