Ist es wirklich ein Skandal, wenn Unternehmen regelmäßig Anti-Terrorlisten Screenings ihrer Mitarbeiter durchführen, wie die Presse gerade hinsichtlich der Pläne bei Daimler meint? Angeblich ist es ein großer Skandal, dass das Unternehmen seine Mitarbeiter „durchleuchten“ wollte und sie „unter Generalverdacht“ stelle, da sie diese auch mit den Anti-Terrorlisten-Screenings einschüchtern und loswerden wolle. Jegliche Art von „Mitarbeiter-Screening“ ist in der Öffentlichkeit negativ behaftet – obwohl dies meistens auf rechtlichen Verpflichtungen beruht, sei es im Rahmen eines Compliance-Systems oder eben zum Anti-Terrorlisten-Abgleich.
Fakt ist: Alle Unternehmen sind dazu verpflichtet, sog. Anti-Terrorlisten Screenings durchzuführen – ihrer Mitarbeiter ebenso wie sonstiger Geschäftskontakte. Dies ergibt sich aus den EG-Verordnungen (EG) Nr.2580/2001 und Nr. 881/2002, die in Folge des Anschlags vom 11. September eingeführt worden waren. Das Verbot soll eine wirtschaftliche Isolation der auf den Listen genannten Personen erreichen „[…] und sicherstellen, dass ihnen keine Gelder – weder unmittelbar noch mittelbar – oder wirtschaftliche Ressourcen zufließen.
Aus diesen Anti-Terrorlisten, die ein Screening nötig machen, ergeben sich u.a. die folgenden Verbote:
- Gelder, andere finanzielle Vermögenswerte und wirtschaftliche Ressourcen der gelisteten Personen,
Organisationen, Vereinigungen und Unternehmen sind eingefroren. - Den gelisteten Personen, Organisationen, Vereinigungen und Unternehmen dürfen keine Gelder, sonstige finanzielle Vermögenswerte, wirtschaftliche Ressourcen oder Finanzdienstleistungen bereitgestellt werden.
- Jede wissentliche und beabsichtigte Beteiligung an Umgehungen der Nummern 1 und 2 ist verboten.
Diese Anti-Terrorlisten bedeuten nichts anderes, als dass den Betroffenen, die dort genannt werden, praktisch alle Grundrechte entzogen werden. An sich dürfte nicht einmal ein Rechtsanwalt Gelder der Betroffenen annehmen, um gegen die Nennung in der Liste vorzugehen. Den Betroffenen wird die Teilnahme am öffentlichen Leben unmöglich gemacht. Und dies, ohne Gerichtsbeschluss oder ähnliches, sondern auf dubiosen Wegen, bei denen niemand so genau weiß, wie man auf diese Liste gesetzt wird.
Wenn Daimler nun eine Betriebsvereinbarung schließt, um das Screening auf rechtlich sichere Beine zu stellen, ist das völlig richtig. Es ist sogar lobenswert, da viele andere Unternehmen in die Rechte der Beschäftigten einfach eingreifen, ohne den Betriebsrat einzuschalten oder sich um eine Rechtskonformität zu bemühen. Diskutieren kann man allein, ob tatsächlich der Abgleich alle drei Monate notwendig ist. Eigentlich wäre es ausreichend, jeden neuen Mitarbeiter zu kontrollieren und bestehende Mitarbeiter nur dann abzugleichen, wenn es eine Aktualisierung der Anti-Terrorlisten gab.
Wenn ein Unternehmen gegen diese Pflichten aus den Anti-Terrorlisten verstößt, machen sich die Mitarbieter und Geschäftsführer sogar strafbar. Es ist daher kein Skandal, dass Unternehmen dieses Anti-Terrorlisten-Screening vornehmen – denn sie sind dazu verpflichtet. Ein Skandal ist vielmehr, dass es solche Listen überhaupt gibt und wie hier Grundrechte fast willkürlich entzogen werden. Maßnahmen gegen den Terror sind natürlich wichtig, aber sie sollten sich doch in den Rahmen des Grundgesetzes bewegen. Die Journalisten, die nun auf Unternehmen losgehen, haben die Materie also schlichtweg nicht verstanden.
Der Bundesfinanzhof hielt diese Anti-Terrorlisten sogar für verfassungsgemäß und die Screenings für datenschutzkonform (BFH, Urt. v. 19.6.2012 – VII R 43/11). Dass diese über § 32 BDSG zu rechtfertigen sind, erscheint mir richtig, da die Unternehmen dazu verpflichtet sind. Allerdings halte ich die Anti-Terrorlisten für verfassungswidrig, da die Entziehung elementarster Rechte für Verdächtige viel zu weit geht. In diesem Urteil bestätigte der BFH auch, dass die Erteilung einer AEO-Zertifizierung vom Nachweis der Durchführung eines Anti-Terrorlisten-Screenings abhängig gemacht werden kann.
- Leseempfehlung: Anti-Terrorismus-Merkblatt des BAFA, mit einigen praxisbezogenen Informationen.
- Mehr Informationen erhalten Sie auch im „Formularhandbuch Datenschutzrecht„.
- Autor des Beitrags: RA Lachenmann.