Ein praktischer Fall zum Aufenthaltsbestimmungsrecht: Emilia und Vater Horst leben mit ihren drei minderjährigen Kindern im eigenen Haus in Nürnberg voneinander getrennt. Emilia fährt eines Tages mit den drei Kindern zu ihren Eltern nach Dresden in Urlaub – aber sie kehrt nicht zurück und teilt Horst mit, dass sie mit den Kindern nach Dresden umziehen werde.
Horst ist entsetzt und möchte die Kinder zu sich nehmen. Er stellt im Wege einer einstweiligen Anordnung beim Familiengericht Nürnberg den Antrag, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die drei Kinder auf ihn zu übertragen. Zur Begründung trägt er vor, dass Emilia ihm die Kinder eigenmächtig und widerrechtlich entzogen habe. Sie sei depressiv und deshalb nicht in der Lage, die Kinder vollumfänglich zu sorgen. Sie sei nach der Geburt der Zwillinge völlig überfordert gewesen, weshalb er Elternzeit genommen und sich um die Kinder und um Emilia gekümmert habe.
Das Amtsgericht Nürnberg, das einen Verfahrensbeistand für die Kinder bestellt hatte, lehnte den Antrag von Horst ab und übertrug Emilia das Aufenthaltsbestimmungsrecht mit der Begründung, dass Emilia die Hauptbezugsperson der Kinder sei, sich die Kinder für einen Verbleib bei der Mutter ausgesprochen hätten und die Emilias Eltern sie in der Kinderbetreuung unterstützen könnten. Gegen diese Entscheidung über die Aufenthaltsbestimmung legte Horst Beschwerde ein beim OLG Nürnberg. Das OLG Nürnberg wies die Beschwerde von Horst mit Beschluss vom 22. Mai 2013 (Az: 7 UF 641/13) zurück.
Das OLG begründete seine Entscheidung damit, dass trotz des Fehlverhaltens von Emilia, die Kinder widerrechtlich zu entziehen, nicht vorrangig auf das Fehlverhalten abzustellen sei, die Entscheidung müsse sich vorrangig am Kindeswohl orientieren. Nur wenn das eigenmächtige Verhalten von Emilia Rückschlüsse auf eine konkrete Einschränkung ihrer Erziehungsfähigkeit zulasse oder konkret festgestellt werden kann, dass der herbeigeführte Ortswechsel das Wohl der Kinder beeinträchtigt, hätte eine andere Entscheidung gerechtfertigt.
Aufenthaltsbestimmungsrecht durch schlichte Schaffung von Fakten?
Ist die Entscheidung ein Freibrief für einen Elternteil, Kinder eigenmächtig an einen anderen Ort zu verbringen und dadurch Fakten zu schaffen für eine Kontinuität der Erziehung? Nein – die Entscheidung des OLG Nürnberg zeigt auf, dass das Gericht genau zu prüfen hat, was dem Wohle der Kinder besser entspricht. Dazu hat es Fragen zu klären wie:
- Wie ist die Bindungstoleranz der Kinder zum jeweiligen Elternteil?
- Was spricht für den Aufenthalt der Kinder bei der Vater oder bei der Mutter?
- Ist es den Kindern zumutbar, einen erneuten Umzug vorzunehmen?
- Wer kann die Betreuung besser sicherstellen?
Ist der Elternteil, der die Kinder betreut bereit, dem anderen Elternteil ein Umgangsrecht einzuräumen und die Bindung zum anderen Elternteil nicht zu behindern. Entscheidend für das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist also, welcher Elternteil besser geeignet ist, die Betreuung und Erziehung der Kinder sicherzustellen nicht das Fehlverhalten eines Elternteils.