Kanzlei Lachenmann Onlinerecht IT-Recht

FAQ zum „Anti-Abmahn-Gesetz“ – Dürfen Onlinehändler aufatmen?

Am 10.9.2020 hat der Bundestag das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ gebilligt. Von diesem Gesetz, salopp als „Anti-Abmahn-Gesetz“ betitelt, erhoffen sich besonders Onlinehändler ein Aufatmen vor den lästigen und oft teuren Abmahnungen der Wettbewerber und Abmahnvereine (Wettbewerbszentralen, IDO-Interessenverband u.v.a.). Es muss noch den Bundesrat passieren und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden.

Aber hält das Anti-Abmahn-Gesetz, was es verspricht? Haben Onlinehändler in Zukunft Ruhe vor Abmahnungen? In folgendem Artikel werde ich Ihnen anhand von Fragen, die mir in meiner Kanzlei gestellt wurden, Antworten geben.

Darf überhaupt noch abgemahnt werden?

Ja, selbstverständlich darf noch abgemahnt werden. Das Anti-Abmahn-Gesetz regelt nur bestimmte Aspekte neu, z. B. wer abmahnen darf, ob Abmahnkosten geltend gemacht werden dürfen und die Tatsache, dass u.U. Gegenansprüche geltend gemacht werden dürfen bei einer unberechtigten Abmahnung.

Dürfen bestimmte Verstöße nicht mehr abgemahnt werden?

Doch, es dürfen auch nach dem Anti-Abmahn-Gesetz alle Verstöße gegen Wettbewerbsrecht abgemahnt werden. Es ändern sich die Erstattungskosten und die Höhe der Vertragsstrafen.

Gibt es zukünftig bestimmte Formvorschriften für Abmahnungen?

Ja, nach dem Anti-Abmahn-Gesetz ist anzugeben:
Namen oder die Firma sowie ggf. Name oder Firme des Vertreters,
die Anspruchsberechtigung und ihre Voraussetzungen,
Höhe des Ersatzanspruchs
Art der Rechtsverletzung und ihrer tatsächlichen Umstände

Gibt es Ausnahmen von der Abmahnberechtigung?

Ja, nach Erlass des Anti-Abmahn-Gesetzes dürfen nur noch Mitbewerber abmahnen, die tatsächlich geschäftlich tätig sind und in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich ähnliche Waren oder Dienstleistungen vertreiben.

Wirtschaftsverbände müssen in eine „Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände“ eingetragen sein.

Was ist ein qualifizierter Wirtschaftsverband?

Er muss mindestens 75 Mitglieder haben und seine satzungsgemäßen Aufgaben seit mindestens 1 Jahr vor Antragstellung wahrnehmen. Zudem muss er über strukturelle und finanzielle Kapazitäten verfügen, um seine satzungsbedingten Aufgaben ausüben zu können und muss über eine ordnungsgemäße Vermögensverwaltung verfügen.

Gibt es bestimmte Wettbewerbsverstöße, die nach dem Anti-Abmahn-Gesetz immer missbräuchlich sind?

Nein, das Anti-Abmahn-Gesetz enthält eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe, die erst durch die Gerichte ausgefüllt werden müssen. Es gibt zwar bestimmte Fallkonstellationen, die auf einen Missbrauch hinweisen, es ist aber kein Automatismus.

Unbestimmte Rechtsbegriffe wie „unangemessen hoch“, „vorwiegend“, offensichtlich überhöht“ müssen nach Inkrafttreten des Anti-Abmahn-Gesetzes also von den Gerichten entschieden werden und schaffen so große Rechtsunsicherheit, bis sich im Laufe der Zeit eine bestimmte Einheitlichkeit entwickeln wird.

Werden Abmahnkosten ganz entfallen?

Nein, aber das Anti-Abmahn-Gesetz sieht folgende Änderungen vor:

  • Mitbewerber dürfen für bestimmte Rechtsverstöße keine Abmahnkosten mehr geltend machen,
  • bei bestimmten (§ 8 c Abs. 2 UWG n.F.) Verstößen gegen Kennzeichnungs- und Informationspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr und auf Telemedien und bei Verstößen im Bereich Datenschutz nach der DSGVO oder dem BDSG, sofern der Abgemahnte in der Regel weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigt.
  • Aber: Diese Fallgestaltungen sind nicht abschließend, es kommt immer auf den Gesamtzusammenhang an und Qualifizierte Wirtschaftsverbände, IHK u.ä. dürfen weiter Abmahnkosten geltend machen!

Was sind Kennzeichnung- und Informationspflichten?

Beispielshaft:

  • Einhaltung der Preisangabenverordnung
  • Impressumspflicht
  • Vorhalten einer Widerrufsbelehrung
  • Vorhalten eines anklickbaren Links zur OS-Plattform
  • Garantien, wesentliche Produkteigenschaften, Produktkennzeichnung
  • Fehlende Angaben zu den Allergenen bei Lebensmittel
  • Fehlende Energiekennzeichnung und vieles mehr

Was ist mit Gerichtskosten?

Geht ein Mitbewerber gerichtlich vor, fallen sämtlich Kosten an, nur Abmahnkosten dürfen nicht mehr geltend gemacht werden. Auch die Streitwerte werden nicht geändert! D. h., dass im Falle eines gerichtlichen Verfahrens hohe Kosten entstehen, weil der Streitwert bei Abmahnungen generell hoch ist.

Allerdings soll die Höhe die Vertragsstrafe verringert werden. Bei Zuwiderhandlungen, die ihrer Art, Schwere, Ausmaß und Folgen bei Verbrauchern und Mitbewerbern nur in unerheblichem Maße beeinträchtigen, soll ein Auffangwert von € 1.000 werden. Aber: Hier müssen Gerichte erst einmal entscheiden, was ein nicht unerhebliches Ausmaß ist!

Wenn die Abmahnung künftig nichts mehr kostet, kann ich sie einfach ignorieren?

Davon ist dringend abzuraten! Ein Verstoß ist ein Verstoß! Denn: Auch wenn bei der ersten Abmahnung ev. keine Kosten geltend gemacht werden dürfen von Wettbewerbern, gibt es eine zweite Abmahnung, und diese ist kostenpflichtig.

Zudem: Ein gerichtliches Verfahren ist immer möglich! Sie sollten sich also auch nach Inkrafttretens des Anti-Abmahn-Gesetzes rechtskonform verhalten und eine Abmahnung immer von einem Experten prüfen lassen.

Kann ich mich als Abgemahnter finanziell wehren?

Unter Umständen ja. Abgemahnte können die Kosten für eine unberechtigte Abmahnung oder eine Abmahnung, die die formalen Voraussetzungen nicht erfüllt, ersetzt verlangen.

Aber! Diese Kosten sind gedeckelt auf den Betrag, den der Abmahner verlangt hat. Da nach dem Anti-Abmahn-Gesetz vielfach nur noch qualifizierte Wirtschaftsverbände eine erste Abmahnung aussprechen und deren Kosten niedriger sind als Anwaltskosten, können Sie nur diesen Betrag geltend machen. Sie müssen aber die Anwaltskosten ihres Anwalts tragen, die höher sind, also haben Sie weiterhin Kosten zu tragen.

Beachten Sie also:  Voraussetzung für die Kostenerstattung ist, dass der Abmahnende nicht berechtigt war abzumahnen oder die formalen Voraussetzungen nicht eingehalten hat oder die behauptete Rechtsverletzung gar nicht vorliegt.

Was hat sich bei den Vertragsstrafen geändert?

Eine Vertragsstrafe kann künftig bei einer erstmaligen Abmahnung nicht mehr verlangt werden, wenn zusätzlich Gegenstand der Abmahnung allein ein Verstoß gegen die privilegierten gesetzlichen Informations- und Kennzeichnungspflichten ist oder gegen das Datenschutzrecht ist, und der Abgemahnte „in der Regel“ 100 Mitarbeiter oder weniger beschäftigt.

Ergo? Vertragsstrafen können weiter bei einer zweiten Abmahnung durch Mitbewerber geltend gemacht werden, immer bei Abmahnung durch einen qualifizierten Wirtschaftsverband und wenn der Abgemahnte mehr als 100 Mitarbeiter hat.

Wer muss was beweisen?

Ich gehe davon aus, dass die Last des Beweises – sowohl für die vielen unbestimmten Rechtsbegriffe als auch für die Frage, wie viele Mitarbeiter ein Unternehmen hat – der Abgemahnte trägt!

Wann tritt das Gesetz in Kraft?

Das Anti-Abmahn-Gesetz muss noch den Bundesrat passieren, der ein Einspruchsrecht hat. Bevor das Gesetz nicht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht ist, ist es nicht wirksam.

Ändert sich etwas in Bezug auf den Gerichtsort?

Ja, der sog. Fliegende Gerichtsstand ist weitgehend abgeschafft, d. h. die Abmahnenden müssen nun an dem Ort klagen, an dem sich das Unternehmen des Abgemahnten befindet.

Das halte ich für einen großen Fehler, da einige Gerichte sich auf diese Abmahnklagen spezialisiert hatten und ein großes Wissen vorhanden war. Dies geht verloren, was m. E. einen Verlust von Qualität und Rechtsverlust darstellt. Es ist bedauerlich und ärgerlich, dass die Politik hier gegen alle Empfehlungen von Experten handelte und eine jahrzehntelange bewährte Regelung abschafft.

Fazit zum Anti-Abmahn-Gesetz?

Das Anti-Abmahn-Gesetz greift an fünf Stellen an:

  1. Der Kreis der Personen, die Unterlassungsansprüche nach dem UWG geltend machen können, wird eingeschränkt.
  2. Strenge Vorgaben für den Inhalt von Abmahnungen werden aufgestellt,
  3. Die Voraussetzungen für eine Erstattung der Abmahnkosten werden erhöht.
  4. Das schon bestehende Missbrauchsverbot für Abmahnungen wird ausgeweitet.
  5. Die Gerichtswahl wird stark eingeschränkt, weil der sog. fliegende Gerichtsstand abgeschafft wird.

Ein genialer Wurf ist das Anti-Abmahn-Gesetz wahrlich nicht, auch wenn es einige Probleme des sog.  „Abmahnunwesens“ angeht. Das Gesetz gibt sicherlich keinen Freibrief, sich nicht gesetzeskonform zu verhalten, ganz im Gegenteil!

Es ist davon auszugehen, dass die bisherigen „berüchtigten“ Abmahnvereine, wie z. B. der IDO-Interessenverband, in die Liste der Qualifizierten Wirtschaftsverbände aufgenommen werden kann und dann weiter ihr Unwesen treiben können – dann sogar vermeintlich „mit Genehmigung“. Warten wir es ab!

Fragen? Ich berate Sie gerne

Dieser Beitrag wurde in Blog, Datenschutzrecht, E-Commerce, Gewerblicher Rechtschutz/IP, Internetrecht/Onlinerecht, IT- und Internetrecht, Softwarevertragsrecht, Verbraucherschutz, Wettbewerbsrecht veröffentlicht. Ein Lesezeichen auf das Permalink. setzen. Sowohl Kommentare als auch Trackbacks sind geschlossen.