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Neue Warenkauf-Richtlinie – Neue Herausforderungen für (Online-)Händler ab 1.1.2022

Im Juni 1019 hat das Europäische Parlament eine neue EU-Richtlinie zur Regelung des Warenkaufs – sogenannte Warenkauf-Richtlinie – verabschiedet. Diese ist von den EU-Mitgliedsstaaten bis zum 1.7.2021 umzusetzen. Für Händler wird sie ab dem 1.1.2022 in Kraft treten. Ein Regierungsentwurf zur Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie liegt nun vor.

Klar ist: Die Warenkauf-Richtlinie wird die bisherigen Regelungen des Kaufrechts weitreichend verändern. Positiv ist, dass die Warenkauf-Richtlinie das Kaufgewähr-leistungsrecht innerhalb der EU vereinheitlicht. Dadurch wird auf deutsche Händler aber ein erheblicher Mehraufwand zukommen. Sofern sich die Händler den Änderungen rechtzeitig stellen, kann sich dies für sie aber auch lohnen. Zeit- und kostenintensive Vertragsanpassungen im grenzüberschreitenden Warenverkehr gehören damit der Vergangenheit an. Gerade mittelständische und kleine Unternehmen werden sich durch die Bestimmungen der Warenkauf-Richtlinie neue Märkte erschließen können.

Welche Änderungen werden also nun aufgrund der Warenkauf-Richtlinie auf (Online-)Händler zukommen?

  1. Änderung des Sachmangelbegriffs

Der Begriff des Sachmangels in § 434 BGB erhält durch die Warenkauf-Richtlinie eine neue, vor allem für Verbraucher, vorteilhaftere Definition. Es bleibt zunächst dabei, dass eine Kaufsache als fehlerfrei angesehen wird, wenn sie den subjektiven, also individuellen Vorstellungen der Vertragspartner entspricht. Für die Beurteilung der Mangelfreiheit können durch die Warenkauf-Richtlinie jetzt aber auch objektive Aspekte herangezogen werden, wie beispielsweise die Haltbarkeit oder die Sicherheit. Die Anforderungen an die Montage der Kaufsache sollen ebenfalls ausgeweitet werden.

Händler können von diesem Mangelbegriff nunmehr nur noch durch eine explizite Vereinbarung mit dem Verbraucher abweichen. Händler werden insofern aufgrund der Änderungen durch die Warenkauf-Richtlinie ihre AGB auf den neuen Mangelbegriff angleichen und geeignete Formulare für die Abweichung schaffen müssen.

  • Stärkung der Verbraucherrechte im Rahmen der Gewährleistung

Bisher galt für einen Zeitraum von sechs Monaten ab Kauf die Vermutung, dass Mängel schon beim Kauf bestanden haben – die sogenannte Beweislastumkehr aus § 477 BGB. Im Falle einer  Auseinandersetzung musste der Verbraucher den Mangel somit nicht nachweisen. Dieser Zeitraum soll nun auf ein Jahr ausgeweitet werden. Bei dieser Regelung ging es dem Europäischen Parlament aber auch um Nachhaltigkeit. So sollen Hersteller dazu bewegt werden, langlebigere Produkte zu entwickeln.

Die Verbraucher werden daher durch die Warenkauf-Richtlinie in der Durchsetzung ihrer Gewährleistungsrechte gestärkt. Unternehmen werden in der Praxis länger Produkte zurücknehmen müssen.

  • Update-Pflicht für “Sachen mit digitalen Elementen”

Der Gesetzgeber schafft aufgrund der Warenkauf-Richtlinie durch die “Sache mit digitalen Elementen” eine ganz neue “Sachkategorie” (§ 475b ff. BGB-E). Die Digitalisierung dringt damit endlich weiter in das Kaufrecht vor. Der neugeschaffene § 475b BGB definiert eine Sache mit digitalen Elementen wie folgt:

“Eine Sache mit digitalen Elementen ist eine Sache, die in einer solchen Weise digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen enthält oder mit ihnen verbunden ist, dass sie ihre Funktionen ohne diese digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen nicht erfüllen kann.”

Kurzum: Eine Sache wird mit einem digitalen Bestandteil verbunden, ohne den es sonst nicht funktionieren kann.Darunter fallen nicht nur Smartphones oder -watches, sondern alle Produkte der Kategorie “Smart Home”.

Wird ein derartiges Produkt an einen Verbraucher verkauft, so muss es in der aktuellsten Version angeboten werden. Der Gesetzgeber stellt aber klar, dass es ihm dabei vor allem um Sicherheitsupdates geht. Er spricht insofern explizit von “funktionserhaltenden Aktualisierungen” und schließt funktionserweiternde Updates aus. Ziel der Warenkauf-Richtlinie ist es nämlich, eine entsprechende IT-Sicherheit bei neuen Produkten zu gewährleisten. Aber auch der Aspekt der Nachhaltigkeit sollte dabei berücksichtigt werden. Eine Aktualisierungspflicht soll auf der anderen Seite dafür sorgen, dass Produkte länger genutzt werden können.

Damit aber noch nicht genug! Der Verkäufer muss gemäß der Warenkauf-Richtlinie für einen gewissen Zeitraum Aktualisierungen bereitstellen und den Verbraucher über Updates informieren. Tut er das nicht, liegt ein Sachmangel vor und der Verkäufer rutscht in die Haftung. Wer nun erwartet, dass das Gesetz oder die Warenkauf-Richtlinie eine genaue Zeitspanne nennt, wird enttäuscht. Vielmehr stellt die Neuerung darauf ab, was ein Verbraucher aufgrund der „Art und des Zwecks der Sache […] unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags erwarte[t].” Für die Beurteilung ist also wieder einmal auf den allseits bekannten (und beliebten) „Durchschnittskäufer” zurückzugreifen. Dieser wird wohl entsprechende Erwartungen aufgrund der Werbung oder der üblichen Nutzungsdauer haben. Streit ist damit vorprogrammiert! Eine entsprechende Klarstellung im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens ist auch eher nicht zu erwarten. Es wird damit wieder auf die Gerichte ankommen, im Einzelfall zu entscheiden, wie lange entsprechende Updates bereitgestellt werden müssen.

  • Regressanspruch des Verkäufers gegen seinen Lieferanten

Da für die Updates bei den Sachen mit digitalen Elementen häufig gar nicht der Verkäufer, sondern der Hersteller zuständig ist, hat der Gesetzgeber entsprechend reagiert und den Rückgriff des Verkäufers innerhalb der Lieferketteausgebaut (§ 445a I BGB-E). 

Der Mehraufwand der Händler aufgrund der Änderungen durch die Warenkauf-Richtlinie dürfte unter diesem Aspekt enorm sein. Vor allem mit Blick auf die Hersteller, bei denen es sich nicht selten um große ausländische Konzerne handelt. 

  • Ergänzung der Garantiebestimmungen

Neu ist außerdem, dass nach der Warenkauf-Richtlinie dem Verbraucher die Bestimmungen zur Garantie auf einem „dauerhaften Datenträger” zur Verfügung gestellt werden müssen. Bisher galt dies nur, wenn der Verbraucher dies ausdrücklich verlangt hat. Die übliche Papierform oder auch eine E-Mail sind hierfür ausreichend. Dabei ist inhaltlich genau hervorzuheben, dass die Garantie die weiteren Gewährleistungsrechte bei Mängeln unberührt lässt und diese unentgeltlich erfolgt.

Die Händler sollten insofern ihre Garantiebestimmungen überprüfen und über Prozesse nachdenken, wie diese in die Vertragsabwicklung implementiert werden können.

  • Ausblick

Was sollten (Online-)Händler nun tun? Zunächst sollten sie sich frühzeitig dahingehend informieren, wie die Änderungen durch die Warenkauf-Richtlinie ihren Geschäftsbetrieb beeinflussen. Das Umsetzungsgesetz befindet sich noch mitten im Gesetzgebungsverfahren. Da dies aber auf einer europäischen Richtlinie beruht, für die in der Regel wenig Spielraum besteht, sind Änderungen kaum zu erwarten.

Wegen etwaiger Anpassungen ihrer AGB und Verträge sollten Händler daher rechtliche Hilfe in Anspruch nehmen. Vor allem auch um Abmahnungen von Wettbewerbern oder Verbraucherverbänden aufgrund der Warenkauf-Richtlinie zu vermeiden. Ich werde in meinem Blog selbstverständlich berichten.

Fragen? Ich berate Sie gerne!

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