Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat mit Beschluss vom 17.3.2014 (Az: 6 UF 196/13) entschieden, dass auch titulierte Ansprüche auf Unterhalt der Verwirkung unterliegen, wenn sie über einen längeren Zeitraum nicht geltend gemacht werden. Die Verwirkung ist nicht zu verwechseln mit der Verjährung, die gesetzlich geregelt ist. Ein (titulierter) Anspruch kann aber auch weit vor der Verjährung verwirken.
Viele Unterhaltsberechtigte sind in dem Glauben, wenn sie ein Urteil oder eine vollstreckbare Ausfertigung eines Jugendamtstitels in Händen haben, auch dann noch vollstrecken zu können, wenn längere Zeit der Anspruch oder Teile davon nicht geltend gemacht wurden. Doch Vorsicht! Liegt der Anspruch länger zurück, kann der Verpflichtete gegen die Vollstreckung einwenden, dass der Anspruch verwirkt sei, d. h. der Berechtigte geht dann leer aus.
So geschehen bei der Entscheidung des OLG Hamm, dem folgender Sachverhalt zugrunde lag: Ein Vater hatte sich mit einer Jugendamtsurkunde im Jahr 1999 verpflichtet, seinem Sohn Unterhalt zu bezahlen. Für den Sohn bestand eine Beistandschaft des Jugendamts von Mai 2005 bis 25.7.2011. In dieser Zeit wurde die Urkunde mehrfach geändert und Anpassungen vorgenommen. Nach Ende der Beistandschaft durch das Jugendamt stellte der Rechtsanwalt des Kindes fest, dass das Jugendamt Ansprüche in Höhe von € 1.276,12 aus dem Jahr 2005 nicht vollstreckt hatte. Der Rechtsanwalt erwirkte daher einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen dieser Unterhaltsrückstände. Der Vater weigerte sich, diesen Rückstand zu bezahlen und berief sich auf Verwirkung. Das Amtsgericht – Familiengericht – hatte den Antrag des Vaters zurückgewiesen, dagegen legte der Vater Beschwerde ein – mit Erfolg!
Das OLG Hamm vertritt die Auffassung, dass auch titulierte Ansprüche auf Unterhalt der Verwirkung unterliegen, wenn sie längere Zeit nicht geltend gemacht werden (sog. Zeitmoment). Der Vater durfte nach so langer Zeit davon ausgehen, dass er für diesen Betrag nicht mehr in Anspruch genommen werde (sog. Umstandsmoment). Das Jugendamt habe in der Zeit seines Einschaltens immer wieder Rückstände geltend gemacht und Gespräche mit dem Vater geführt, es wurden mehrere Abänderungen vorgenommen. Das OLG Hamm entschied auch, dass sich das Kind den Fehler des Jugendamts zurechnen lassen müsse. Solange die Beistandschaft besteht, ist das Jugendamt Vertreter des Kindes.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bereits im Jahr 2003 entschieden, dass als Zeitmoment für die Verwirkung bereits einen Zeitraum von einem Jahr ausreichend sei und klargestellt, dass es keine Rolle spiele, ob die Ansprüche tituliert seien oder nicht (Urteil vom 10. 12. 2003 – XII ZR 155/2001). Bei Unterhalt handele es sich zudem um laufende Ansprüche, die nicht nach Jahren noch rückwirkend geltend gemacht werden könnten. Vom Unterhaltsgläubiger wird erwartet, dass er die Ansprüche zeitnah geltend macht (Schuldnerschutz). Die Unterhaltsansprüche könnten sich zu einer erdrückenden Schuldenlast auswachsen. Dies ist ständige Rechtsprechung.
Fazit zum Urteil des OLG Hamm: auch titulierte Ansprüche auf Unterhalt können der Verwirkung unterliegen!
Wenn Sie einen Anspruch auf Unterhalt haben – bemühen Sie sich sofort um eine Durchsetzung der Ansprüche. Selbst wenn die Ansprüche gerichtlich festgestellt wurden, sind sie zeitnah zu vollstrecken. Wenn Sie dazu Fragen haben, ich berate Sie gerne.