Am 3. Mai 2017 hat der Bundesgerichtshof (BGH /AZ: XII ZB 415/16) in letzter Instanz wie zuvor das Amtsgericht Büdingen – (Beschluss vom 29.10.2015 – 53 F 994/14) und das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (B5 UF 370/15 – Beschluss vom 28. Juli 2016) entschieden, dass bei der möglichen Pflicht zur Zahlung von Ausbildungsunterhalt je nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen ist, ob den Eltern die Bezahlung von Ausbildungsunterhalt zumutbar ist.
Folgender Fall lag der Entscheidung zum Ausbildungsunterhalte zugrunde:
Eine im November 1984 geborene nichteheliche Tochter machte im Jahre 2004 das Abitur mit einem Notendurchschnitt von 2,3. Obwohl sie sich gleich nach dem Abitur – also im Wintersemester 2004/2005 – um einen Studienplatz für Medizin beworben hatte, wurde ihr von der ZVS keiner zugeteilt. Sie begann im Februar 2005 eine Lehre als anästhesietechnische Assistentin, die sie im Januar 2008 erfolgreich abschloss. Ab Februar 2008 arbeitete sie in diesem erlernten Beruf. Für das Wintersemester 2010/2011 wurde ihr schließlich ein Studienplatz zugewiesen; seitdem studiert sie Medizin. Der in Anspruch genommene nichteheliche Vater hatte über viele Jahre keinen Kontakt zu seiner Tochter und erfuhr erst 2006, dass sie Medizin studierte. Er hatte keinen Unterhalt mehr bezahlt. Er wurde aus übergegangenem Recht von der Bafög-Stelle in Anspruch genommen, die der Tochter Bafög-Leistungen bezahlt hatte. Alle drei Instanzen wiesen die Klage des Bafög-Amts auf Bezahlung von Ausbildungsunterhalt ab.
Gemäß § 1610 BGB Abs. 2 BGB hat ein Kind grundsätzlich Anspruch auf Ausbildungsunterhalt. Geschuldet wird danach eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält. Dies kann auch für eine Zweitausbildung gegeben sein, wenn ein Kind zuerst eine Lehre macht und danach ein Studium aufnimmt (sog. Abitur-Lehre-Studium-Fälle). Voraussetzung ist allerdings, dass die einzelnen Ausbildungsabschnitte in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen; die praktische Ausbildung und das Studium müssen sich sinnvoll ergänzen.
Hinzu kommt aber für den Anspruch auf Ausbildungsunterhalt, ob den Eltern unter Berücksichtigung aller Umstände die Leistung von Ausbildungsunterhalt noch zumutbar ist. Dies wird nicht nur durch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern bestimmt, sondern auch davon, ob und inwieweit sie damit rechnen müssen, dass ihr Kind weitere Ausbildungsstufen anstrebt. Denn zu den schützenswerten Belangen des Unterhaltspflichtigen gehört, sich in der eigenen Lebensplanung darauf einstellen zu können, wie lange die Unterhaltslast dauern wird. Eine Unterhaltspflicht wird daher umso weniger in Betracht kommen, je älter der Auszubildende bei Abschluss seiner praktischen Berufsausbildung ist. Auch wenn der Unterhaltsanspruch keine Abstimmung des Ausbildungsplans mit dem Unterhaltspflichtigen voraussetzt, kann es der Zumutbarkeit entgegenstehen, wenn der Unterhaltspflichtige von dem Ausbildungsplan erst zu einem Zeitpunkt erfährt, zu dem er nicht mehr damit rechnen muss, zu weiteren Ausbildungskosten herangezogen zu werden.“
Der BGH hat weiter entschieden, dass es nicht darauf ankomme, dass die Tochter eine für die Aufnahme eines Medizinstudiums schlechte Abiturnote habe und auch nicht die Tatsache, dass der zeitliche Zusammenhang fehle. Entscheidend war für den BGH, dass der Vater während der Lehre der Tochter keinen Unterhalt bezahlen und damit nicht mehr damit rechnen musste, später noch auf Ausbildungsunterhalt in Anspruch genommen zu werden. Er hatte seine Tochter mehrmals aufgefordert, ihn über ihre Ausbildungspläne in Kenntnis zu setzen was diese aber nicht getan hatte. Zudem hatte der Vater andere längerfristige Vermögensdispositionen getroffen.
Fazit zum möglichen Ausbildungsunterhalt für Kinder?
Ausbildungsunterhalt wird geschuldet, wenn die zweite Ausbildung den Neigungen des Kindes entspricht und ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Beendigung der Lehre und der Aufnahme eines Studiums besteht. Allerdings sind die Umstände des Einzelfalls entscheidend. Zu den schützenswerten Belangen des Unterhaltspflichtigen gehört, sich in der eigenen Lebensplanung darauf einstellen zu können, wie lange die Unterhaltslast dauern wird.