Immer wieder fragen mich Mandanten, ob es für die Ehescheidung ausreiche, einen gemeinsamen Anwalt zu beauftragen. Es ist verständlich, dass Partner, die sich (noch) verständigen können, die nicht ganz unerheblichen Kosten eines Scheidungsverfahrens gemeinsam tragen zu wollen. Wenn ich den Mandanten dann mitteile, dass es mir schon standesrechtlich gemäß § 34 BRAO i. V. m. § 31 a IV BRAO, § 3 BORA nicht erlaubt ist, beide Scheidungswilligen zu vertreten, ist die Enttäuschung oft groß.
Aber bedenken Sie:
- Scheidungswillige sind formal gesehen „Gegner“ – im Scheidungsverfahren sind sie Antragsteller und Antragsgegner! Auch wenn es vielleicht erst nicht so scheint, die Interessen der Beteiligten sind meist divergierend.
- Derjenige, der nicht anwaltlich vertreten ist, kann während des Scheidungsverfahrens keine Anträge stellen und kann keine Vergleiche abschließen.
- Bis zur Rechtskraft der Scheidung vergehen viele zusätzliche Wochen, weil auf Rechtsmittel im Scheidungstermin nicht verzichtet werden kann.
- Als Anwalt darf ich beide Ehegatten nicht einmal gemeinsam beraten auf Grund einer Interessenkollision.
Ich möchte diese Problematik eines gemeinsamen Anwalts an Hand des Beispiels Versorgungsausgleich, über den zwingend bei der Scheidung entschieden wird, erklären:
Der Ehemann ist selbständig und hat praktisch keine Anwartschaften bei der gesetzlichen Rentenversicherung gebildet. Die Ehefrau dagegen hat während der Ehezeit immer abhängig gearbeitet und hat erhebliche Ansprüche in der gesetzlichen Rente. Dazu hat sie vielleicht nicht unbeträchtliche Ansprüche aus einer betrieblich zugesagten Altersvorsorge. Beide Ansprüche der Ehefrau werden jeweils zur Hälfte auf den Ehemann übertragen, wogegen die Ehefrau praktisch keine Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung Ihres Mannes erhält.
Der Ehemann hat zwar private Lebensversicherungen, diese fallen aber nicht in der Versorgungsausgleich, sodass kein Ausgleich stattfindet. Die Ehefrau geht praktisch leer aus und muss von ihren Renten jeweils die Hälfte abgeben.
Sind nun beide Partner bei einem gemeinsame Anwalt, der offiziell den Ehemann vertritt, kommt der Anwalt in eine erhebliche Interessenkollision – er müsste eigentlich der Ehefrau sagen, dass sie unbedingt den Zugewinnausgleichsanspruch geltend machen sollte – aber das darf er nicht – er vertritt die Interessen des Ehemannes, der natürlich kein Interesse daran hat, die Hälfte seiner Lebensversicherungen abzugeben.
Dasselbe gilt auch für Unterhaltsansprüche – auch hier kann der Anwalt in erhebliche Interessenkollision kommen, rät er dem anderen Ehegatten, er solle Unterhalt geltend machen, nur wenn er seinen/ihren Partner mahne, gäbe es überhaupt Unterhalt – usw.
Sie sehen – es ist für keinen der Ehegatten günstig – sich nur von einem Anwalt beraten und vertreten zu lassen.
Hinzu kommt, dass § 114 I FamFG vorschreibt, dass beide Ehegatten im Scheidungsverfahren von einem Anwalt vertreten sein müssen. Es besteht zwar bei einer sog. einvernehmlichen Scheidung für den Antragsgegner die Möglichkeit, die Scheidung ohne Anwalt durchzuführen. Aber stellen Sie sich vor, Sie sitzen Ihrem Mann/Ihrer Frau, die anwaltlich vertreten ist, im Gerichtssaal alleine gegenüber und können der Scheidung nur zustimmen. Sie können keinerlei Anträge stellen. Sie sind (zu Recht!) verunsichert und können sich schnell übervorteilt fühlen.
Die Ehescheidung ist ein wichtiges Erlebnis in Ihrem Leben, es gibt viele Punkte, über die Sie vielleicht gar nichts wissen, nur Ihre Anwältin/Ihr Anwalt weiß darüber Bescheid.
Daher mein Rat zur Scheidung und einem gemeinsamen Anwalt:
Lassen Sie sich beraten, scheuen Sie nicht den Weg zu einem im Familienrecht spezialisierten Anwalt – nur so können Sie sicher sein, dass alle Ihre Rechte geltend gemacht und Sie nicht übervorteilt werden.
Auch wenn Sie kein eigenes Einkommen haben, brauchen Sie den Gang zu einem eigenen Anwalt scheuen: Sie können beim für Sie zuständigen Amtsgericht einen Beratungshilfeschein beantragen, der Anwalt darf das Mandat nicht ablehnen, wenn Sie einen Beratungshilfeschein mitbringen und im Scheidungsverfahren können Sie Verfahrenskostenhilfe beantragen. So benötigen sie keinen gemeinsamen Anwalt, sondern haben einen eigenen.