Auch wenn die Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen in Sachen Filesharing inzwischen merklich nachgelassen haben, ist das Thema nach wie vor brandaktuell. Auch ältere Fälle können durchaus noch vor Gericht landen. Kürzlich war ich hierzu in einer Verhandlung vor dem Amtsgericht Stuttgart (AZ: 13 C 5768/17).
Zum Sachverhalt
Die Klägerin ist die Koch-Media GmbH, die die Rechte als Allein-Vermarkterin des Videospiels „Dead Island Riptide“ für den Weltmarkt innehat.
Bei der von mir vertretenen Beklagten handelt es sich um eine Dame mittleren Alters. Sie erhielt im Juni 2013 ein Abmahnschreiben durch die Anwälte der Klägerin wegen illegalen Filesharings.
Darin erhob die Klägerin den Vorwurf, dass meine Mandantin im April 2013 in einer Internet-Tauschbörse (einem Peer-to-Peer-Netzwerk) das besagte Videospiel zum kostenlosen Download angeboten hätte. Herausgefunden haben wollte die Klägerin dies durch eine Abfrage der IP-Adresse beim Internet-Provider meiner Mandantin. Zur Herausgabe der Adresse war der Provider meiner Mandantin nach § 101 Abs. 9 UrhG verpflichtet.
Wie bei solchen Abmahnschreiben üblich, verlangte die Klägerin darin von der abgemahnten Mandantin die Löschung der fraglichen Dateien, die Zahlung von 1.500 € zur Abgeltung des Schadensersatzes und der Anwaltskosten sowie die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.
Für die Mandantin wurde eine modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben, eine Zahlung erfolgte nicht.
Seitens der Klägerin erfolgte keine Reaktion, erst im Dezember 2016 erfolgte ein Mahnbescheid, gegen den Widerspruch erhoben wurde. Nach dem Mahnbescheid vergingen weitere 11 Monate, bis die Klägerin im November 2017 den Anspruch begründete. Die mündliche Verhandlung fand vor dem Amtsgericht Stuttgart statt, das für alle Urheberrechtsstreitigkeiten zuständig ist, die im Bezirk des OLG Stuttgart bei Gericht anhängig werden (§ 13 III ZuVO-Ju).
Entgegen der von uns vorgebrachten Ansicht sah das Gericht den Anspruch aus dem Jahr 2013 noch nicht als verjährt an.
Die Beklagte sei als vermeintliche Täterin verklagt worden. Ansprüche gegen den Täter einer Urheberrechtsverletzung verjährten erst nach 10 Jahren (§ 102 S. 2 UrhG in Verbindung mit § 852 S. 2 BGB). Für die Störerhaftung ist dagegen die Regelverjährung von 3 Jahren maßgeblich. Auch die Einrede der Verwirkung sah das Gericht als nicht gegeben an.
Die von mir vertretene Beklagte trug vor, das Videospiel nicht heruntergeladen zu haben. Sie habe ihren damals minderjährigen Sohn darüber aufgeklärt, den Computer nicht für rechtswidrige Dinge zu verwenden. Hierbei hatte sie sich mit ihrem Ex-Ehemann und Vater des Sohnes eng abgestimmt. Der Aufklärungspflicht, die Eltern nach der „Morpheus“-Rechtsprechung des BGH gegenüber minderjährigen Kindern haben, war damit Genüge getan.
Ebenfalls regelmäßig wurde der Computer zur damaligen Zeit auch von ihrem Lebensgefährten verwendet und bei Besuchen des zum streitigen Zeitpunkt bereits volljährigen weiteren Sohnes.
Volljährige Familienmitglieder oder Haushaltsangehörige müssen Inhaber eines Internetanschlusses jedoch weder über die Rechtswidrigkeit von Filesharing aufklären noch ihre Aktivitäten am Computer überwachen. Dies hatte der BGH in seiner sog. „BearShare“-Entscheidung (Aktenzeichen: I ZR 169/12) und seiner „Afterlife“-Entscheidung (Az.: I ZR 154/15) zur damals noch geltenden Störerhaftung klargestellt.
Wer genau Täter der hier behaupteten Urheberrechtsverletzung war, hätte nach Ansicht des Gerichts nur durch eine Zeugenvernehmung der Söhne und des Lebensgefährten abschließend geklärt werden können. Der Lebensgefährte war jedoch im Zeitraum zwischen der behaupteten Tatzeit und dem Abmahnschreiben verstorben.
Die Klägerin war – nachdem die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen war, in der Pflicht, zu beweisen, wer die Urheberrechtsverletzung begangen hat. Dies war ihr nicht möglich, da der Lebensgefährte nicht mehr vernommen werden konnte. Das Gericht schlug daher einen Vergleich dahingehend vor, dass die Beklagte einen Betrag von € 500 bezahlt. Angesichts der Beweislast für den Kläger nahm dieser das Vergleichsangebot an, womit alle Ansprüche – auch gegen die Söhne der Beklagten – abgegolten sind. Die Kosten des Rechtsstreits wurden gegeneinander aufgehoben.
Fazit zur Verjährung bei Filesharing-Abmahnungen
Auch wenn Kläger das Verfahren wegen einer Urheberrechtsverletzung eher nachlässig betreiben und zwischen den einzelnen Schritten lange Pausen entstehen, dürfen sich Abgemahnte nicht darauf verlassen, dass die Rechtsangelegenheit schon erledigt ist. Da die Rechteinhaber grundsätzlich zunächst auf eine Urheberrechtsverletzung als Täter klagen, gilt eine Verjährungsfrist von 10 Jahren.
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