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Leistungsschutzrecht vs. Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit

Leistungsschutzrecht: gravierende Eingriffe in die Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit

Der Plan zum Leistungsschutzrecht (derzeit: 3. Referentenentwurf) ist eines der größten Angriffe auf die Meinungsfreiheit/Informationsfreiheit seit langer Zeit. Und das, obwohl es keinen ernsthaften praktischen Grund zu dessen Einführung gibt – er beruht schlicht auf dem Lobbying einer kleiner Gruppen von Verlagen, die sich irrtümlich mehr Gewinn versprechen. Gewinnen werden vor allem Abmahnanwälte, denen sich ein riesiges neues Feld eröffnet wird.

Doch der Reihe nach: Um was geht es? Ziel der Kampagne der Presseverlage scheint vor allem Google News zu sein: eine schlichte Übersichtsseite für aktuelle Neuigkeiten: verlinkt werden vor allem die Homepages von Verlagen. Neben der Überschrift wird ein kurzer Ausschnitt des Textes zur Verfügung gestellt. Wenn der Nutzer auf den Link klickt, wird er auf die Homepage des Veröffentlichenden geleitet, wo dieser den Text lesen kann. Kurz: Ein toller Service für die Verlage, der ihnen eine Vielzahl von Lesern und Werbeeinnahmen beschert.

Aus Sicht der Verlage liest sich das dann so: „Heute sehen sich jedoch Presseverlage zunehmend damit konfrontiert, dass andere gewerbliche Nutzer für die eigene Wertschöpfung systematisch auf die verlegerische Leistung zugreifen und diese in einer Weise nutzen, die über das bloße Verlinken weit hinausgeht.“ (1. Referentenentwurf S. 6 (lit. II).

Sinn macht das also bereits wirtschaftlich nicht (außer, die Verlage gehen davon aus, mit den Abmahnungen mehr zu verdienen als mit ihren Lesern). Rechtlich soll das Leistungsschutzrecht bestehende „Lücken“, die das Urheberrecht aus gutem Grund gerade nicht schützt, geschlossen werden. Eine juristische Notwendigkeit gibt es nicht. Die Kritik aus der Wissenschaft ist eindeutig: Das Leistungsschutzrecht wird einhellig abgelehnt. So veröffentlichten das Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht gemeinsam mit dem Fachausschuss Urheber- und Medienrecht der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) – kurz: die wichtigsten Institutionen zum Urheberrecht in Deutschland – eine Stellungnahme zum Leistungsschutzrecht mit vernichtender Kritik: „Der Bedarf für ein solches Schutzrecht wurde bislang in keiner Weise nachgewiesen. Es besteht die Gefahr unabsehbarer negativer Folgen.“ Erforderlich seien Gesetze nur, soweit ein Marktversagen vorliege – das sei jedoch nicht der Fall.

Für welche Eingriffe in die Meinungsfreiheit sorgt das Leistungsschutzrecht?

Wirklich problematisch ist dabei, dass News-Dienste wie Google News tatsächlich eher weniger davon getroffen werden (vermutlich schaltete Google den Dienst in Deutschland dann einfach ab), sondern jedermann, der Artikel verlinken oder zitieren möchte. Denn ausdrücklich sollen auch kleinste Textzitate darunterfallen. Es wäre für Blogs also nicht mehr möglich, auf Artikel von Verlagen zu verlinken – denn um darzulegen, um was es in dem Artikel geht, wird man i.d.R. einen Ausschnitt oder die Überschrift zitieren wollen. Nicht nur das, auch die „sprechenden“ Links, also Adressen die die Stichwörter der Überschrift bereits in der URL enthalten sind damit ein Zitat und wären nur bei Lizenzzahlung möglich.

Dies soll zwar nur „gewerblich“ handelnde betreffen, dafür soll jedoch bereits ausreichend, dass ein Flattr-Button gesetzt ist oder Werbung geschaltet wird. Auch ich wäre betroffen: Mit meinem Twitter-Account (@ViolaLachenmann) poste ich regelmäßig aktuelle Links zu Themen. Da ich daran natürlich auch ein geschäftliches Interesse habe, müsste ich Lizenzgebühren zahlen oder den Service stark einschränken. Alle Verlinkungen in Social Media sind damit betroffen. Die krasse Einschränkung der Meinungsbildungsfreiheit wird also deutlich sichtbar.

Der große Vorteil des Internets, sich schnell und zeitnah über aktuelle Entwicklungen informieren zu können würde stark eingeschränkt. Folge des bisherigen Gesetzesentwurfs ist eine gewaltige Rechtsunsicherheit, da einerseits nicht klar ist, wer als „Presseverleger“ gilt und andererseits, wer gewerblich handelt. Eine neue Abmahnwelle für unbedarfte Blogger wäre die Folge, da völlig unklar ist, für welche Texte eine Lizenz nötig sein wird (Sind auch Blogger in diesem Sinne „Verleger“ und können dann andere Blogger abmahnen?).

Was sagen Rechtswissenschaftler zum Leistungsschutzrecht?

Das erstaunliche ist: Rechtswissenschaftler diskutieren derzeit, dass das bestehende Leistungsschutzrecht für Fotos abgeschafft werden sollte. Bislang sind auch „Lichtbilder“ geschützt, also jeder Schnappschuss, was zu hoher Abmahntätigkeit führt. Diese Abschaffung wäre sinnvoll, um tatsächlich nur Kunstwerke zu schützen – für Texte kann nichts anderes gelten. So fasst auch z.B. Jörg Wimmers (CR 2012, 663) treffend zusammen: „Dem vorgeschlagenen Leistungsschutzrecht fehlt nicht nur eine belastbare Grundlage zu dessen Notwendigkeit (und Angemessenheit); Gesetzesfassung und Begründung des Regierungsentwurfs erscheinen nicht nur wegen des hier aufgezeigten Spannungsverhältnisses zur ECRL flüchtig und fehlerhaft“.

Auch Thomas Stadler kritisiert das Leistungsschutzrecht in seiner Stellungnahme scharf; er sieht erhebliche europa-, völker- und verfassungsrechtliche Bedenken kann keine rechts- oder wirtschaftspolitische Notwendigkeit erkennen. Der Ausschuss geistiges Eigentum des Deutschen Anwaltvereins, lässt ebenfalls kein gutes Haar an dem geplanten Leistungsschutzrecht und kritisiert ebenfalls die Einschränkung der Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit: „Die Einführung eines Leistungsschutzrechts für ‚Presseverleger‘ ist sowohl rechtlich bedenklich als auch nicht erforderlich, so dass von dem Gesetzesvorhaben insgesamt abgerückt werden sollte.“

Dies nur als eine kleine kursorische Übersicht. Es dürfte jedoch klar geworden sein, dass das geplante Leistungsschutzrecht neben erheblicher Rechtsunsicherheit und einer neuen Abmahnwelle für massive Eingriffe in die Informationsfreiheit jedes einzelnen Bürgers führt. Über den Umfang Auswirkungen von ACTA kann man sich streiten – die Einschränkungen der Grundrechte durch das Leistungsschutzrecht ist jedoch um einiges krasser. Es muss alles getan werden, um das Inkrafttreten zu stoppen – es muss für mehr Aufklärung gesorgt werden und ähnliche Proteste wie gegen ACTA auf die Straße gebracht werden. Die Presse schweigt sich zu dem Thema natürlich aus, da die Verlage dieses ja gerade durchsetzen wollen.

Weitere Informationen (neben dem Links im Text):

Anmerkung: Der Text entstand ursprünglich zum 1. Referentenentwurf zum LSR. Inzwischen liegt die 3. Version des Referentenentwurfs vor, die jedoch ähnlich weit wie die erste Version geht (aber nicht mehr ganz so schlecht gemacht ist). Zudem gab es noch eine Reihe von Literatur-/Expertenbeiträgen, die sich durchweg vernichtend über das Leistungsschutzrecht äußerten. Insofern war eine Überarbeitung des Artikels nötig.

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