Sind vorbeugende Unterlassungserklärungen wettbewerbswidrig?
Kanzleien verhalten sich wettbewerbswidrig, wenn sie sog. vorbeugende Unterlassungserklärungen an in den konkreten Fällen nicht mandatierten Kanzleien schicken. Dies entschied das Hanseatische Oberlandesgericht mit Urteil vom 13.02.2012 (Az.: 3 W 92/11). Im entschiedenen Fall verschickte eine Kanzlei an eine große Zahl von bekannten abmahnenden Anwaltskanzleien Unterlassungserklärungen im Namen eines Mandanten hinsichtlich eines Titels, wegen dem der Mandant abgemahnt worden war.
Das OLG entschied nachvollziehbar, dass diese Praxis gegen § 7 Abs. 1 UWG (unzumutbare Belästigung) bzw. § 823 Abs. 1 BGB (Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) vertoße, wenn die angeschriebenen Kanzleien nicht tatsächlich mit den Fällen mandatiert seien. Denn mit dieser Praxis enthalten Kanzleien eine Vielzahl von Briefen, für die sie keine Verwendung haben und werden dadurch genauso belästigt, wie durch andere Werbebriefe.
Abgemahnte brauchen sich jedoch keine Sorgen zu machen: Das Urteil betrifft nur die Kanzleien selbst, der Mandant ist davon nicht betroffen. Denn wenn das zweifelhafte Instrument der vorbeugenden Unterlassungserklärung gewählt wird, obliegt es der Kanzlei, dieses korrekt auszuführen. Diese versendet die Briefe und ist damit der Anspruchsgegner im Falle einer Abmahnung.
Das Instrument der vorbeugenden Unterlassungserklärung ist unter Anwälten umstritten – ich führe dieses für meine Mandanten nicht durch. Zwar hat dies in der Tat den Vorteil, dass dem Rechteinhaber dann bereits eine Unterlassungserklärung zugegangen ist und dafür dann keine Anwaltskosten verlangt werden können.
Allerdings hat dies andersherum den Nachteil, dass man sich einer Vielzahl von Personen gegenüber lebenslang (falls keine Einschränkung erfolgte) verpflichtet, dies zu unterlassen. Dabei verpflichtet man sich auch zu einer Vertragsstrafensumme, die durch die Vielzahl angeschriebener Rechteinhaber immens groß werden kann. Wenn durch ein Missgeschick also ein Verstoß erfolgt sind die Folgen unüberschaubar. Zudem macht man u.U. die Rechteinhaber erst auf sich aufmerksam. Trotz der Vielzahl der Abmahnungen ist die Wahrscheinlichkeit tatsächlich eine zu erhalten relativ klein, die aber durch eine vorbeugende Unterlassungserklärung deutlich ansteigen kann.
Der Leitsatz:
„Ein Rechtsanwalt, der namens seines Mandanten, dem die Inanspruchnahme wegen Verfügbarmachung urheberrechtlich geschützter Werke über eine Internet-Tauschbörse droht, „vorbeugende Unterlassungserklärungen“ an eine Rechtsanwaltskanzlei versendet, verstößt gegen § 7 Abs. 1 UWG (unzumutbare Belästigung) bzw. § 823 Abs. 1 BGB (Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb), wenn diese Erklärungen eine Vielzahl von Rechtsanwaltskanzleien, Rechteinhabern und Werktiteln nennen und die angeschriebene Rechtsanwaltskanzlei hinsichtlich der betroffenen Werke nicht mandatiert ist.“
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