Ich werde immer wieder gefragt, ob In-Ear-Kopfhörer oder Büstenhalter (BH) vom Verbraucher-Widerrufsrecht ausgenommen sind. Bei solchen Waren, von denen Kunden besondere Anforderungen an die Hygiene stellen, stellt sich natürlich die Frage, ob das 14-Tage Widerrufsrecht beim Online-Kauf auch hier gelten kann.
Was sagt das Gesetz zum Ausschluss des Widerrufrechts bei hygienischen Artikeln?
Der Grundsatz: ausgenommen vom Widerrufsrecht sind „Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.“ (312g Abs. 2 Nr. 3 BGB). Mehr steht dazu nicht im Gesetz. Es ist also jeder Artikel daraufhin zu überprüfen, ob er aus Gesundheitsschutz- oder Hygienegründen sich nicht mehr verkaufen lässt.
Es wurden schon verschiedene Urteile gefällt, z. B. hat das OLG Koblenz am 9.2.2011 – Az. 9 W 680/10) entschieden, dass Bekleidung nicht zu Hygieneartikeln gehört, auch nicht Unterwäsche und Bademode, d. h., dass beim Kauf eines BHs ein Widerrufsrecht besteht. Ein Widerrufsrecht besteht auch bei Kauf von Bettwäsche!
Das Landgericht (LG) Düsseldorf hat mit Urteil vom 14.9.2016 – Az. 12 O 357/15 beschlossen, dass Toilettensitze nicht dazu gehören, weil diese gereinigt und desinfiziert werden können. Es besteht also auch hier ein Widerrufsrecht.
Wie sieht es nun mit In-Ear-Kopfhörern aus?
Bei In-Ear-Kopfhörer handelt es sich um ein Produkt, das mit dem Körper in intensiven Kontakt kommt, wie z. B. auch ein Lippenstift. Aus Gründen des Gesundheits- und Hygienegründen können diese Artikel nicht mehr verkauft werden, wenn sie ausprobiert und mit dem Körper in Kontakt gekommen sind. Es gibt darüber aber noch keine Rechtsprechung.
Entschieden wurde dagegen für Gesichtscreme, dass diese nicht vom Widerrufsrecht ausgenommen sind (OLG Köln, Beschl. v. 27.4.2010 – Az. 6 W 43/10. Allerdings kann hier Wertersatz verlangt werden.
Zum Problem der Versiegelung bei Waren wie In-Ear-Kopfhörer und BHs
Eine Versiegelung ist laut Bundesgerichtshof (BGH; Az. VIII ZR 194/16) daran zu erkennen, dass der Verbraucher den Zustand der Verpackung nicht mehr herstellen kann, sobald er die Ware aus der Packung genommen hat, also z. B. den In-Ear-Kopfhörer oder den BH – oder auch eine Zahnbürste – aus der Verpackung reißt und diese nicht mehr im übersandten Zustand geschlossen werden kann. Es ist nicht unbedingt notwendig, dass auf der Verpackung ein Aufkleber mit „Siegel“ vorhanden ist, was teilweise von der Rechtsprechung vertreten wurde.
Fazit:
Da das Gesetz selbst sehr unbestimmt ist, kommt es immer auf den Einzelfall an bei der Prüfung, ob es sich bei einer Ware um ein Hygieneprodukt handelt und deshalb vom Widerrufsrecht ausgeschlossen ist. Eine generelle Aussage kann leider nicht getroffen werden, da das Gesetz nicht eindeutig ist und daher jeder Artikel gesondert von Gerichten beurteilt werden kann.
Auf jeden Fall hat der Onlinehändler aber Anspruch auf Nutzungsentschädigung, wenn die Ware benutzt und daher nicht mehr oder zu einem erheblich niedrigeren Preis verkauft werden kann. Bitte lesen Sie zu diesem Problem auch meinen Blogartikel https://kanzlei-lachenmann.de/wann-ist-das-widerrufsrecht-fuer-hygieneartikel-ausgeschlossen/
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