Die Verwertung rechtswidrig erlangter Daten durch Presse-Veröffentlichungen ist möglich, so der BGH in nunmehr veröffentlichten Urteil (vom 30.9.2014 – Az. VI ZR 490/12). Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit könne die Rechte der Personen überwiegen in deren Rechte eingegriffen wurden. Der BGH stellt klar, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Bürger davor schützt, dass private E-Mails an die Öffentlichkeit gelangen, grundsätzlich seien diese privat. Allerdings sei eine Interessenabwägung vorzunehmen, die insbesondere für die Presse dazu führen kann, dass private Daten veröffentlicht werden können, selbst wenn sie rechtswidrig erlangt wurden.
Der Hintergrund: Der ehemalige Brandenburger Minister Rainer Speer hatte eine außereheliche Beziehung und zeugte mit der Frau ein Kind. So weit, so normal. Pikant war daran jedoch, dass er sich weigerte, die Vaterschaft anzuerkennen und Unterhalt zu zahlen. Die ehemalige Geliebte forderte ihn regelmäßig per E-Mail auf, Unterhalt zu zahlen. Da er dies nicht tat, musste die Frau Unterhalt beim Staat nach dem Unterhaltsvorschussgesetz beantragen. Dabei beging sie wohl einen Betrug, da vorrangig der Vater in Anspruch zu nehmen ist (§ 7 UhVorschG). Der Laptop von Rainer Speer kam abhanden, die E-Mails gelangten wie auch immer an Redakteure der Bild-Zeitung, die diese teils wörtlich, teils sinngemäß veröffentlichten. Landgericht und Kammergericht Berlin verurteilten die Zeitung auf Unterlassung der Verwertung der rechtswidrig erlangten Daten. Der BGH hob dies nun auf und wies die Klage Herrn Speers vollständig ab.
Zulässigkeit der Verwertung rechtswidrig erlangter Daten durch Presse möglich, die Begründung des BGH-Urteils:
Der BGH stellte vorab die Grundsätze klar, dass durch Veröffentlichung privater E-Mails in die Vertraulichkeitssphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen wird, dies über das Fernmeldegeheimnis hinaus, das nur den Übertragungsvorgang schützt. Jedoch haben diese Rechte keinen absoluten Schutz, sondern sind mit der Meinungs- und Medienfreiheit (Art. 5 GG) abzuwägen. Der BGH stellte klar, dass ein Affäre und ein gezeugtes Kind nicht die Intimsphäre einer Person betreffen, sondern grundsätzlich ein öffentliches Verhalten sind (anders kann dies bei Details dessen sein).
Für Rainer Speer sprach zwar, dass die E-Mails rechtswidrig erlangt worden waren. Allerdings stellte der BGH klar, dass die Presse ein „Wachhund der Öffentlichkeit“ sei und diese auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen hat. Die Veröffentlichung hätte rechtswidrig sein können, wenn die Journalisten den Laptop geklaut oder den E-Mail-Account gehackt hätten, was jedoch nicht der Fall war.
Die Vorinstanzen gingen auf die Frau los, da sie sich bei der Erlangung des Unterhalts rechtswidrig verhalten hatte – der BGH machte nun deutlich, dass das Verhalten Rainer Speers möglicherweise nicht rechtswidrig gewesen sei, aber moralisch so verwerflich, dass natürlich ein Interesse der Öffentlichkeit daran bestand. Dass ein Finanzminister E-Mails wie „ich stehe als Vater nicht zur Verfügung“ schreibe und sich weigere, seinen Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen, sei für die Öffentlichkeit von besonderem Interesse.
Das Urteil ist zu begrüßen, da es die Presse- und Meinungsfreiheit stärkt. Es kann aber nicht allgemein abgeleitet werden, dass eine allgemeine Verwertung rechtswidrig erlangter Informationen stets zulässig wäre. Hier ist stets auf den Einzelfall abzustellen. Außerhalb der Pressefreiheit kann die Bewertung schnell gegenteilig ausfallen.