Videoüberwachung von Bürogebäuden ist zulässig, soweit (nur) Eingangsbereich und Treppenaufgänge erfasst werden. Dies hat das OVG Lüneburg mit Urteil vom 29.09.2014 – Az. 11 LC 114/13 (Volltext hier) entschieden. Das Urteil ist zu begrüßen, einerseits da es richtig ist, andererseits da es eine Lücke in der bislang bestehenden Rechtsprechung schließt.
Videoüberwachung von Bürogebäuden ist zulässig: Der Sachverhalt des Urteil OVG Lüneburg:
Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen (LfD Nds.) hatte eine Verfügung gegen den Betreiber einer Videoüberwachung Bürogebäudes in Oldenburg getroffen (in dem nur Anwälte, Steuerberater und andere Unternehmen untergebracht waren). Die Videoüberwachung wurde mittels black box-Verfahren mit Mini-dome-Videokameras betrieben, fest installiert, fest auf einen Sichtbereich und ohne Zoom-Funktion, die sich nur bei Bewegungen einschalteten. Die Aufnahmen wurden nach spätestens 10 Tagen gelöscht, Zugang zu Aufnahmen hatten nur das Unternehmen, das die Videoanlage installiert hat und ein betrieblicher Datenschutzbeauftragter. Hinweisschilder an den beiden Eingangstüren waren ordnungsgemäß angebracht.
Der LfD Nds. verlangte, dass die installierte Kameraanlage komplett abgebaut und bisherige Aufnahmen gelöscht werden sollten. Der Unternehmer klagte dagegen und gewann in erster Instanz vor dem LG Oldenburg (Urt. v. 12.3.2013 – 1 A 3850/12). Dieses äußerte sich nicht zur Zulässigkeit der Videoüberwachung an sich, da es bereits die Anordnung zur Entfernung per se als rechtswidrig einstufte. Der LfD Nds. Legte nur Berufung gegen dieses Urteil ein, in Bezug auf Abschaltung der Videokameras und Löschung der Aufnahmen, die nunmehr vom OVG Lüneburg durch Urteil zurückgewiesen wurde.
Videoüberwachung von Bürogebäuden ist zulässig: Die Urteilsgründe des OVG Lüneburg:
Das OVG Lüneburg entschied in seinem Urteil, dass die Videoüberwachung von Bürogebäuden zulässig sei, soweit Eingangsbereich und Treppenaufgänge erfasst würden.
Zu Recht entschied das OVG Lüneburg, dass für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Videoüberwachung von Bürogebäuden § 6b BDSG einschlägig sei. Denn mit den Kameras würden Personen erfasst, also personenbezogene Daten mittels einer Datenverarbeitungsanlage erhoben und bei Bedarf verarbeitet und genutzt. Durch die Aufzeichnungsfunktion sei ein „Beobachten“ jedenfalls zu bejahen, zudem würden so unzweifelhaft personenbezogene Daten erhoben (durch filmen von Personen).
Es handele sich bei Eingangsbereich und Treppenaufgängen ebenso wie Kellerräumen mit Getränkeautomaten und Technikraum um öffentliche Räume. Denn Zugang hätten Inhaber der gewerblichen Betriebe, deren Beschäftigte und gegebenenfalls deren Zulieferer freien Zugang in diesen ebenfalls videoüberwachten Bereich. Diese eingeschränkte Zugänglichkeit für eine näher bestimmbare Personenzahl reiche – obwohl nicht Jedermann Zugang habe – aus zur Erfüllung des Merkmals des öffentlich zugänglichen Raums aus. Dies sei auch außerhalb normaler Geschäftszeiten der Fall, da auch außerhalb dieser Zeiten ein Zutritt nicht ungewöhnlich sei. Dem ist zuzustimmen, da auch bei gewissen Beschränkungen des Zugangs grundsätzlich eine Vielzahl von Personen Zutritt erhalten kann, die Schutz gegen Überwachung bedürfen.
Für die Videoüberwachung des Bürogebäudes kann sich der Betreiber laut OVG Lüneburg auf das Hausrecht in den videoüberwachten Bereichen des Bürogebäudes berufen (§ b Abs. 1 Nr. 2 BDSG): „Sie hat wegen ihrer Stellung als Eigentümerin und Verwalterin des Gebäudes zum einen ein Interesse daran, ihr (eigenes) Eigentum zu schützen und unberechtigte Personen vom Betreten des Gebäudes fernzuhalten.“ Ergänzend wurde auch das Merkmal des berechtigten Interesses (Nr. 3) angenommen. Vorliegend sei eine konkrete Gefährdungslage zu bejahen, da zuvor ein Einbruch mit Entwendung von Notebooks erfolgt sei. Damit sei das „ob“ der Zulässigkeit der Videoüberwachung des Bürogebäudes zu bejahen.
Weiters prüfte das OVG Lüneburg auch das „wie“ der Zulässigkeit, also die konkreten Maßnahmen zum Schutz der Betroffenen. So seien die Kameras nicht nur außerhalb der Bürozeiten notwendig, da auch hier Diebstähle erfolgen würden. Zudem sei die Überwachung des Türeingangsbereiches nicht ausreichend, da Diebe ein Haus nicht nur durch die Haustüre betreten würden (so in schönem Juristendeutsch in Rn. 60 formuliert). Da die Kameras keine Zoom- und Schwenkfunktion aufwiesen, würden diese weniger als eine echte Person erfassen und so zum Schutz der Betroffenenrechte beitragen. Dies gelte auch für das Black-Box-Verfahren. Zu begrüßen ist zudem, dass das OVG Lüneburg in klaren Worten die von den Aufsichtsbehörden meist genannte Löschfrist von 24 – 72 Stunden als zu knapp ansieht. Auch 10 Tage könnten ausreichend sein, wenn die Daten dann zuverlässig gelöscht werden.
Ergebnis: Das Urteil des OVG Lüneburg ist zu begrüßen. Es trifft die korrekten Wertungen und hilft so Eigentümern von Bürogebäuden, rechtssicher eine Videoüberwachung einzurichten. Dabei schließt es auch eine Lücke der bisherigen Rechtsprechung (dazu mein Blogbeitrag), die sich bislang nur zur Videoüberwachung der Öffentlichkeit und im WEG-/Miet-Recht geäußert hatte. Nunmehr wird überzeugend dargestellt, dass das Hausrecht die Videoüberwachung in Bürogebäuden rechtfertigen könne.
Weitere Hinweise:
- Eine Fachveröffentlichung von RA Lachenmann zu diesem Urteil ist nunmehr erschienen in der Zeitschrift „Der IT-Rechtsberater“, Heft 12, S. 273.
- Dashboard-Cams sind unzulässig, so Urteil VG Ansbach.
- Auch Kamera-Attrappen statt Videoüberwachung sind unzulässig, so Urteil des BGH.
- Elektronischer Türspion in Privatwohnung ist unzulässig, so Urteil des AG München zu Videoüberwachung.
- Autor: RA M. Lachenmann